Bei der ersten Fernsehdebatte zwischen Clinton und Trump gab es keinen klaren Sieger.
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New York. Es waren eineinhalb Stunden, die Amerika bewegten – und mutmaßlich den größten Teil des Rests der Welt –, aber als sich der erste Pulverdampf gelegt hatte, schien lediglich eines klar: Sieger sehen anders aus.
Am Montagabend Ortszeit fand im Auditorium der Hofstra University zu Hempstead, New York, die erste Fernsehdebatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton (Demokraten) und Donald Trump (Republikaner) statt. Wer dabei einen eindeutigen Gewinner erwartet hatte, wurde enttäuscht. Keiner der beiden leistete sich im Rahmen der vom NBC-Nachrichtensprecher Lester Holt moderierten Diskussion – die nämlicher professionell erledigte – einen entscheidenden Fehler. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Die einzige Überraschung, die diese Bezeichnung verdient, lag in der Tatsache, dass sich Trump für seine Verhältnisse über weite Teile halbwegs zahm zeigte, im offensichtlichen Bemühen, so staatsmännisch wie möglich zu wirken. Hillary Clinton machte ihren Job insofern gut, als sie beständig danach trachtete, ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre politische Verlässlichkeit in den Vordergrund zu stellen – und somit in scharfen Kontrast zu den bekannten, eher schrägen Ansichten ihres Kontrahenten zu stellen. Am Ende stand somit eine Art seltsames Unentschieden – insofern, als man sich nach den eineinhalb Stunden von Hempstead kaum vorstellen konnte, dass es da draußen auch nur eine Wählerin oder einen Wähler gibt, dessen Stimmverhalten sich aufgrund der Debatte geändert hat.
Rollenverteilung eingehalten
Egal, um was es sich inhaltlich drehte: die prinzipielle Rollenverteilung – da der wild gewordene Geschäftsmann, der dem politischen Establishment einheizt, dort der gewiefte Politprofi – hielten beide bis zur letzten Sekunde aufrecht.
Steuern? Während Trump den konservativen Gospel predigte, demzufolge es am gescheitesten ist, die Reichen von ihren Pflichten gegenüber dem Fiskus zu entbinden (weil es angeblich nur sie seien, die Arbeitsplätze schaffen), betonte Clinton unter dem Verweis auf ihre eigene Herkunft – ihr Vater war der Chef einer kleinen Textildruckerei – die Wichtigkeit der Entlastung mittelständischer und kleiner Unternehmen.
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Außenhandel? Trump will sämtliche diesbezüglichen Verträge mit dem Rest der Welt neu verhandeln, weil Länder wie China und Mexiko aufgrund der bestehenden Abmachungen den Amerikanern angeblich abertausende Jobs wegnehmen, die sonst in Bundesstaaten wie Michigan, Ohio oder Wisconsin bleiben würden. (Nicht zufällig nannte er mehrmals diese drei, zweifellos in der Hoffnung, bei den Wählern in diesen sogenannten "Swing States" zu punkten.)
"Ich werde Jobs nach Amerika bringen"
Zusammen fasste der Immobilienmagnat und Ex-Reality-TV-Star das so: "Es ist ganz einfach: Ich werde Jobs nach Amerika bringen und du nicht." Clinton musste sich mehrmals sichtbar am Riemen reißen, um angesichts der Trump'schen Polemiken nicht in einen Lachkrampf zu verfallen. Derlei Angriffen setzte sie Spitzen wie jene entgegen, dass Trump, der im Laufe seiner Karriere sechs Firmen in den Bankrott geführt hat und dessen letzter öffentlich bekannter Steuerbeleg besagt, dass er keine Steuern zahlt – was dieser mit den Worten quittierte, dass er "einfach nur schlau" sei -, sich entgegen allen Usancen weigere, seinen aktuellen Steuerbescheid offen zu legen.
Leichter wurde es dadurch weder für sie noch für alle Zuschauer, die Politiker an sich nicht allesamt für abgehobene, unehrliche, restlos korrupte Menschen halten. Genau aus solchen Leuten rekrutieren sich die größten Trump-Fans und sie durften sich an diesem Abend freuen, dass sie ihr ansonsten schaumgebremster Führer wenigstens diesbezüglich nicht im Stich ließ. Seine Strategie, sich als Business-Messias hinzustellen, der, anders als die angeblich unfähige Politkaste, "genau wisse", wie man das Land aus dem vermeintlichen "Desaster" herausführt, in dem es sich nach acht Jahren der Präsidentschaft von Barack Obama angeblich befindet, hat in den USA mehr Anhänger, als es den professionellen Analytikern in Funk und Fernsehen bewusst zu sein scheint. Das, obwohl er diese Strategie schon seit Beginn seines Wahlkampfs verfolgt.
Recht und Gesetz
Wie auch sein zweites großes Thema, das für Clinton aufgrund ihrer Vergangenheit als First Lady eine potenzielle Achillesferse darstellt: die Durchsetzung von Recht und Gesetz auf Amerika Straßen. Ein Thema, das aufgrund der aktuellen Ereignisse in Charlotte, North Carolina und Tulsa, Oklahoma – wo zwei unbescholtene Afroamerikaner von der Exekutive getötet wurden, was teils schwere Ausschreitungen zur Folge hatte – derzeit wieder ganz oben auf der Problem-Agenda steht.
Während Trump, wie er auch in Hempstead nicht müde wurde zu betonen, alle großen Polizei- und Grenzschützer-Gewerkschaften des Landes hinter sich hat, hat Clinton zwar die objektive Wahrheit auf ihrer Seite – "Rasse macht immer noch zu oft den Unterschied aus, ob bei uns jemand im Gefängnis landet oder nicht" –, aber weil sie selbst in den Neunzigern von sogenannten "Super-Predators" sprach, die die Innenstädte terrorisieren, durfte Trump diese Etappensieg wohl für sich beanspruchen.
Nicht ganz staatsmännisch
Ganz ohne Verrücktheit schaffte er es trotz allem Bemühen aber nicht bis in die Zielgerade. Zuerst verteidigte er sich gegen Clintons Vorwurf, dass er in den Siebzigerjahren in New York schwarze Mitbürger bei der Vergabe von Wohnungen diskriminiert habe – ein bereits vor Monaten von der "New York Times" aufgedecktes Faktum – damit, dass er einmal einen Club in Palm Beach (Florida) aufgemacht hat, "in den Schwarze problemlos gehen können. Das hat mir sehr viel Lob eingebracht."
Und dann versuchte er auch noch, für seine jahrelang lautstark gehegten Zweifel, ob Präsident Obama auch wirklich in den USA geboren sei, Clinton selbst verantwortlich zu machen. In dieselbe Kerbe, wenn auch nicht ganz so offen irrsinnig, schlug er mit seinem zum x-ten Mal vorgebrachten Lamento, dass die Verbündeten der USA für ihren militärischen Schutz künftig selbst verantwortlich sein sollten; konkret nannte er diesmal aber keine NATO-Staaten, sondern Japan und Saudi-Arabien. Was Clinton umgehend mit dem Hinweis konterte, dass sich, wenn sie am 8. November zur Präsidentin gewählt werde, der Rest der Welt darauf verlassen könnte, "dass Amerika auch weiterhin sein Wort hält."
Nach ein paar weiteren Minuten Geplänkel war Schluss. Fazit? Wenn es das jeweilige Ziel der Kandidaten war, ihre Stammwähler nicht zu verschrecken, haben Clinton wie Trump in Hempstead den Job erledigt. Nicht weniger, aber definitiv auch nicht mehr. Am 4. Oktober treffen sich in Virginia ihre Stellvertreter in spe, Tim Kaine (Clinton) und Mike Pence (Trump), zu ihrer ersten und einzigen TV-Debatte. Ihr Chefs kommen wieder am Sonntag darauf zusammen, am 9. Oktober zu ihrer zweiten Debatte in St. Louis.