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Sein größtes Problem sei, sagte der Kriegsfotograf James Nachtwey in einer Dokumentation am Mittwochabend in ORF 2, dass er vom Elend anderer profitiere. Und diese Sorge nahm man ihm ab, sie klang nicht wie eine Alibi-Behauptung. Der Amerikaner, der seit fast 20 Jahren in den Krisengebieten der Welt unterwegs ist und dem Elend mit der Kamera buchstäblich hautnah rückt, wirkte auf eine Weise ernsthaft und besonnen, wie man sie im Mediengeschäft selten sieht. Ganz anders hingegen Journalisten vom "stern" und von "GEO", die über ihre Zusammenarbeit mit Nachtwey sprachen - und die man bestens gelaunt vor einer Galerie seiner Schreckensfotos stehen sah. Dieser Zynismus wirkte in gewisser Weise abschreckender als so manche grauenhafte Szene aus Ruanda oder dem Kosovo.
Etwas von dem Dilemma des Fotografen übertrug sich auch auf den Zuseher, der ebenfalls von der Not anderer profitierte, indem er eine toll gemachte Dokumentation (des Schweizer Filmers Christian Frei) mit berührend-beklemmenden Bildern und Einstellungen sah. Denn neben Nachtwey und seiner Kamera war ja stets auch noch ein Filmteam an all den horriblen Schauplätzen mit dabei, um den Fotografen bei der Arbeit zu beobachten. Warum er das tue? Wegen des Adrenalins, wie eine Kollegin vermutete? Nein, weil er letztlich glaube, dass Fotografie, richtig eingesetzt, ein Gegengift zum Krieg sein könne, antwortete er nachdenklich. Nur der Respekt vor der Not anderer Menschen lasse ihn sich selbst und seine Arbeit respektieren. Auch das wirkte glaubhaft.