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Der Vergleich der arabischen Revolution 2011 mit dem Jahr 1989, als in Mitteleuropa die Bürger den Kommunismus abschüttelten, hat zugegebenermaßen Charme, nur hinkt er, was die langfristigen geostrategischen Folgen angeht.
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Damals ging der große ideologische Gegenspieler des Westens politisch und ökonomisch in die Knie, der Weg war frei für eine Ausdehnung des eigenen Machtbereichs bis weit nach Osten. Primäres Mittel zu diesem Zweck waren die Erweiterungsrunden von Nato und Europäischer Union.
Im arabischen Raum ist derzeit gerade das genaue Gegenteil der Fall: Die Regime, die jetzt ins Taumeln geraten oder - wie im Falle Tunesiens - bereits gestürzt sind, waren die engsten Verbündeten des Westens in der Region. Was folgen wird, kann heute noch niemand seriös beantworten - weder in den betroffenen Ländern selbst noch in Washington, London, Paris oder Berlin - für Brüssel mag für einmal nobles Schweigen gelten.
Hundertprozentig sicher ist nur, dass sich der Westen eine völlig neue Strategie für den Umgang mit dieser ökonomisch so wichtigen wie politisch explosiven Region einfallen lassen muss. Mit der bisher üblichen Scheckbuchpolitik an die Adressen der Machthaber wird es wohl vorbei sein. Kreativere Zugänge zur Stabilisierung sind gefragt. Nur zur Erinnerung: Zwischen den USA auf der einen sowie Kairo und Tunis auf der anderen Seite liegt ein ganzer Ozean, Europa ist für die Menschen dagegen nur einen Katzensprung entfernt.
Wie aber sichert man Stabilität in fremden Ländern? Für den Wiener Historiker Wolfgang Schmale liegt die Lösung darin, statt nur auf die Machthaber zu starren, auch und vor allem auf die leisen Stimmen zu achten - auf Bürger, Nichtregierungsorganisationen, Oppositionelle und Intellektuelle.
Das funktioniert allerdings nur, wenn man sich noch intensiver auf diese Länder einlässt, sich noch stärker vor Ort engagiert - und sich umgekehrt auch selbst öffnet.
Gut möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass diese Herausforderung Europa überfordert. Nicht nur die Politiker, sondern auch die Bürger.
Fragt sich nur, welche andere Strategie Europas zum gewünschten Erfolg führen könnte . . .