Scheich Hamad wird Großaktionär von Volkswagen. | Erdgas-Einnahmen sorgen für einen Investment-Boom. | Staatsfonds QIA legte schon bisher 60 Mrd. Dollar an. | Seinem stattlichen Luxus-Fuhrpark gehören mehrere Porsches an, die neue Sportlimousine Panamera hat er auch schon bestellt - aber damit nicht genug: Jetzt tritt der 59-jährige Hamad Bin Chalifa al-Thani sogar als Helfer in der Not für den traditionsreichen, hochverschuldeten deutschen Sportwagenhersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen auf.
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Der steinreiche Emir des Scheichtums Katar wird ein Vermögen in die attraktive Edelmarke Porsche stecken. Bei dem Megadeal, der ihn zum Partner von Ferdinand Piëch oder Wolfgang Porsche macht, geht es um Prestige - und um Rendite.
Die Verhandlungen mit den Deutschen dauerten einige Wochen. Ende Juni lag ein Angebot aus Katar vor, sich an Porsche mit fast 30 Prozent beteiligen zu wollen. Die Sportwagenschmiede hatte zuvor bekanntlich fast 51 Prozent der VW-Aktien erworben, sich jedoch beim Versuch, die vollständige Kontrolle über Volkswagen zu erlangen, finanziell komplett übernommen. Damit wurden die von der Porsche Holding gehaltenen Optionen auf mehr als 20 Prozent der VW-Papiere zum zentralen Punkt des Scheich-Coups.
Seit der Vorwoche steht fest: Porsche-Boss Wendelin Wiedeking geht, und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hat den Milliarden-Poker gewonnen. Das bedeutet: Nicht Katar, sondern Volkswagen wird sich schrittweise an Porsche beteiligen. Der Emir indes wird für 5 Mrd. Euro die VW-Aktienoptionen übernehmen und vorerst mit rund 17 Prozent bei Europas größtem Autokonzern einsteigen. Die Araber machen damit kurzfristig den Schuldenabbau des angeschlagenen Sportwagenherstellers möglich und räumen diesem zusätzlich einen Kredit in der Höhe von 750 Mio. Euro ein.
Langfristig wird das Emirat, wie der zerstrittene Familienclan Piëch/Porsche und das Land Niedersachsen, zu den größten Anteilseignern in Wolfsburg zählen. Vor der für 2011 geplanten Fusion soll sich der arabische Staatsfonds mit bis zu zehn Prozent an der Porsche Holding beteiligen, um nach der Verschmelzung sein VW-Aktienpaket auf 19 Prozent erhöhen zu können.
Staatsfonds: In 4 Jahren 60 Mrd. Dollar investiert
Der Deal ist zweifellos der Höhepunkt einer Serie von arabischen Investments in Deutschland: Erst kürzlich hatte Abu Dhabi zum einen mit der Rettung der Rendsburger Nobiskrug-Werft Aufsehen erregt. Zum andern sicherte sich der Staatsfonds aus dem arabischen Emirat, International Petroleum Investment Company (IPIC), die Mehrheit am Anlagenbauer MAN Ferrostaal.
Im März stieg die Investmentgesellschaft Aabar, ebenfalls aus Abu Dhabi, mit knapp 2 Mrd. Euro bei Daimler ein. Die Stuttgarter bekamen damit einen zweiten arabischen Großaktionär, denn Kuwait ist bereits seit 35 Jahren an Mercedes beteiligt. Ähnlich wie Abu Dhabi oder Dubai, mittlerweile Aktionär der Deutschen Bank oder des Luftfahrtkonzerns EADS, werden nunmehr auch dem Zwergstaat am Persischen Golf rote Teppiche ausgerollt.
Katar, das nicht einmal eine Million Einwohner zählt, schaffte dank üppiger Gasvorkommen innerhalb weniger Jahre einen rasanten Aufstieg und trat in Europa nicht zum ersten Mal als Big Player auf: Sein erst 2005 gegründeter Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) hat bisher weltweit bereits rund 60 Mrd. Dollar angelegt. Er wird von Ministerpräsident Scheich Hamad Bin Dschasim Bin Dschabir al-Thani, einem Cousin des Emirs, geleitet. Der Regierungschef ist als zweitreichster Mann im Lande beispielsweise an der Fluglinie Qatar Airways beteiligt.
Die QIA hat sich in jüngster Zeit etwa 16 Prozent an der britischen Bank Barclays gesichert. Im Februar 2008 stieg sie mit zehn Prozent bei der Credit Suisse ein. Experten vermuten, dass Katar jährlich weitere 20 Milliarden für seine weltweite Einkaufstour zur Verfügung stehen: "Das Land ist so reich, dass es gar nicht weiß, wohin mir dem Geld."
Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 72.000 Euro weltweit Spitze, scheint die globale Wirtschaftskrise an Katar, das nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt verfügt, scheinbar spurlos vorbeigezogen zu sein. Für heuer wird ein Wirtschaftswachstum von rund 13 Prozent erwartet.
Der schnauzbärtige Emir, der etwa Italien, Spanien, Belgien oder Großbritannien mit Gas beliefert, will das Golfemirat langfristig von der Öl- und Gasförderung unabhängig machen. Dazu benötigt er jedoch Know-how aus westlichen Schlüsselindustrien.
Er braucht es zum einen für die heimische Wirtschaft - für 27 Industrieprojekte werden in Katar gerade 60 Mrd. Dollar locker gemacht, was viele Arbeitsplätze schaffen soll. Zum anderen möchte er die Petrodollars in lukrativen Industriebeteiligungen langfristig anlegen, wobei es ihm renommierte Firmennamen wie VW oder Porsche, die in seiner Heimat gut ankommen, angetan haben.
"Wir steigen nie wieder auf Kamele"
Neben der Autoindustrie zeigt Katar auch an den Bereichen erneuerbare Energie, Chemie, Medizintechnik und Luftfahrt Interesse. Und profitiert davon, dass arabischen Investoren, die etwa in Deutschland noch vor zwei Jahren mit großer Skepsis gesehen wurden, auf Grund der Wirtschaftskrise plötzlich viele Türen offenstehen.
Scheich Hamad reist selbst unermüdlich durch die Welt, um neue wirtschaftliche Chancen aufzuspüren und beweist dabei immer wieder Sinn für Humor. Bei einer US-Visite erlaubte er sich kürzlich den selbstbewussten Scherz: "Wir werden nie wieder auf Kamele steigen."
Der Emir bewies, etwa mit der Einführung des Frauenwahlrechts, nicht nur innenpolitisches Geschick - was ihm allerdings durch die Absenz von Parteien und Parlament relativ leicht gemacht wurde. Er gilt auch als glänzender Taktiker in Sachen Außenpolitik. Hamad hat sein Emirat als eine Art arabische Schweiz profiliert: Er steht zweifellos dem Westen nahe, bemüht sich zugleich um gute Beziehungen zum Iran, pflegt Kontakte zum Irak und dem Sudan und bezeichnet Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez als Freund.
Der Scheich, der das Startkapital für den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera zur Verfügung gestellt hatte, genießt es, dass er sich für eine Öffnung gegenüber Israel aussprechen und zugleich Beziehungen zur radikal-islamischen Hamas unterhalten kann, ohne dass ihm das jemand übel nimmt.
Das Ansehen dieses Mannes, der seinen eigenen Vater entmachtet hat, ist so groß, dass ihm viele Verdienstorden und Medaillen verliehen werden - und er problemlos zu einer Schlüsselfigur in Europas größtem Autokonzern aufsteigen kann.
Zur PersonHamad Bin Chalifa al-Thani wurde 1950 in Doha als eines von 15 Kindern des Emirs von Katar geboren. Er absolvierte in Großbritannien die Royal Military Academy Sandhurst und trat 1971 als Oberstleutnant in die Streitkräfte seines Landes ein. 1977 wurde er zum Kronprinzen ernannt und übernahm das Verteidigungsministerium.
In den Achtzigerjahren kümmerte er sich als Chef des obersten Planungsrates um Wirtschafts- und Sozialpolitik, später war er auch für den Ausbau der Öl- und Gasförderung verantwortlich. Im Juni 1995 setzte er in einem unblutigen Putsch seinen Vater Chalifa Bin Hamad al-Thani ab.
Hamad begann sogleich, die verschlafene Halbinsel zu modernisieren. Er investierte die Petrodollars in Infrastruktur, Spitäler, Universitäten und Fabriken und trieb Reformen voran. Seit zwei Jahren steckt er via Staatsfonds auch in ausländische Investments beträchtliche Beträge.
Der Emir von Katar hat drei Frauen und nicht weniger als 15 (nach anderen Quellen sogar 17 oder 18) Kinder, wobei der Viertgeborene, Tamim Bin Hamad al-Thani, als Kronprinz auserkoren ist. Eine seiner Töchter ließ der wegen seiner brutalen Methoden bisweilen gefürchtete Monarch inhaftieren, weil sie einen Ägypter geheiratet hatte und geflüchtet war.
Hamad residiert im Al-Wajbah-Palast und besitzt zwei Yachten sowie einen erfolgreichen Rennstall. Er wird von "Forbes" auf ein Privatvermögen von rund 2 Mrd. Dollar geschätzt.
KatarFläche: 11.437 km².
Einwohner: 930.000, davon rund 80 Prozent Ausländer.
Staatsform: absolute Monarchie - keine Parteien, kein Parlament.
Hauptstadt: Doha.
Amtssprache: Arabisch
Staatsoberhaupt: Hamad Bin Chalifa al-Thani.
Regierungschef: Hamad Bin Dschabir al-Thani.
BIP nominal (2007): 67.763 Mio. Dollar.
Währung: 1 Katar-Riyal = 100 Dirham.
Wirtschaft: Erdöl, Erdgas und Düngemittel sind die wichtigsten Einnahmequellen, früher war es der Perlenhandel.