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Scheidung ohne Schuld gibt es nicht

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Fristenregel bei Gewalt in der Ehe ist | unzumutbar. | Unklarheiten bei Rechten von | Stiefeltern. | "Wiener Zeitung":Eine der populärsten Forderungen im Familienrecht ist die Abschaffung der Verschuldensscheidung. Was halten Sie davon?


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Astrid Deixler-Hübner: Ich glaube, dass man das Verschuldensprinzip nicht ganz eliminieren kann.

Aber es gibt immer mehr Rechtsordnungen, die die Verschuldensscheidung nicht mehr haben.

Verschuldenselemente sind dann doch versteckt drinnen - entweder bei der Scheidung selbst, bei der Frist oder im Scheidungsfolgenrecht (Unterhalt und Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, Anm.) .

Man zeigt immer auf andere Länder: Deutschland, Spanien und so weiter. Wenn man sich diese Länder aber anschaut, ist das alles ein Etikettenschwindel. Das österreichische System ist nicht so schlecht, wie es dargestellt wird.

Im Scheidungsrecht selbst könnte man vielleicht auf das Verschulden verzichten, sodass die Scheidung nur auf Zerrüttung basiert. Aber im Scheidungsfolgenrecht glaube ich nicht, dass man das Verschuldensprinzip ganz außer Acht lassen kann.

Haben Sie andere Verbesserungsvorschläge?

Man sollte das Scheidungsfolgenrecht deregulieren. In Österreich gibt es im Gesetz sechs Unterhaltskategorien. Da bestehen andere Anspruchsgrundlagen, andere Rechtsfolgen, andere Höhen. Man könnte sich am Bedarf orientieren, dass jeder, der Unterhalt braucht, auch Unterhalt bekommt - egal von welcher Scheidungssituation man ausgeht. Man sollte die Schuldfrage zwar deregulieren, das Verschulden aber jedenfalls als Unbilligkeitsgrund beibehalten.

Also ein Abwägen zwischen Bedarf und Verschulden?

Ja. Das Verschulden soll beim Unterhaltsanspruch schon eine gewisse Rolle spielen. Es wird niemand einsehen, dass er Unterhalt leisten muss, wenn sich der andere ganz aus ehelichen Bindungen verabschiedet.

Oder wenn ein Ehepartner geschlagen wurde . . .

Gewaltanwendung ist ein ganz heikler Fall. Da finde ich es auch nicht gut, dass es nur die Zerrüttungsscheidung geben soll. Diese knüpft nur an Fristen an. Das heißt, die Scheidung ist auf jeden Fall nach Ablauf einer gewissen Zeit zulässig.

In Deutschland besteht so eine Frist für die kontroversielle Scheidung. Da muss man drei Jahre warten, wenn der andere sich nicht scheiden lassen will, bei der einvernehmlichen ein Jahr. Bei uns gibt es für die einvernehmliche Scheidung eine Frist von einem halben Jahr. Aber wie schaut es aus bei Gewaltanwendung? Da kann man dem Gewaltopfer ja nicht zumuten, so lange verheiratet zu bleiben, nur weil sich der andere nicht scheiden lassen will. Wenn man die Scheidung nur an Fristen knüpft, ist das daher auch nicht befriedigend.

Ein weiteres Thema, das in Diskussion ist: Patchworkfamilien sollen mehr Rechte bekommen.

Solche gesetzgeberischen Schnellschüsse sind sehr in Zweifel zu ziehen. Man muss das alles auf einer breiten Diskussionsbasis abklären: Ist das gut für die Kinder? Brauchen wir so ein formelles Rechtsinstitut überhaupt, und in welcher Form soll das normiert werden? Woran sollen die Rechte und Pflichten geknüpft sein? Ich plädiere dafür, dass die Rechte an eine stabile Partnerschaft gebunden werden, weil nur dann dem Kindeswohl entsprochen wird.

Aber es ist schwierig zu beurteilen, ob eine Partnerschaft stabil ist . . .

Da muss man sich überlegen, ob Rechte von Stiefeltern überhaupt nur an die Ehe anknüpfen sollen oder an die Registrierung der Partnerschaft, die ja jetzt in Diskussion ist. Ich halte es für notwendig, dass man die Rechte und Pflichten von Stiefeltern an formale Elemente anknüpft. Ich bin auch eine Gegnerin davon, dass man die Obsorge des biologischen Elternteils beschneidet, also ohne dessen Zustimmung zu Gunsten des neuen Partners Rechte normiert. Man soll die Kinder eher an den leiblichen Elternteil anbinden. Außerdem finde ich, dass Stiefeltern nur eine Teilhabe an der Obsorge eingeräumt werden soll - für alltägliche Geschäfte.

Sollten Lebenspartnerschaften Rechtsfolgen mit sich bringen?

Ich glaube, dass sich bei der Lebenspartnerschaft etwas ändern muss - auch für die gleichgeschlechtlichen Paare, sodass diese eine Mindestgrundlage im Gesetz haben. Man dürfte das Rechtsinstitut aber nicht nur dazu nutzen, dass man sich bedient. Deshalb müssen jedenfalls auch Pflichten in dieser Partnerschaft bestehen.

Welche Bereiche im Familienrecht haben sonst noch Verbesserungsbedarf?

Man sollte durchforsten, inwieweit noch anachronistische Regelungen enthalten sind - zum Beispiel im Namensrecht oder im Vermögensrecht. Derzeit ist die Gestaltungsmöglichkeit sehr begrenzt. Man kann zum Beispiel über das eheliche Gebrauchsvermögen nicht vorweg disponieren.

Also ist es gar nicht möglich, in einer Ehe zu sagen, das ist meins, das ist deins?

Also nach meiner und anderen Meinungen in der Literatur ist nach dem Gesetzestext bloß ein Verzicht im Voraus auf die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens ausgeschlossen. Aber die Judikatur ist streng. Sie meint, dass alle Vorwegdispositionen, also beim Eingehen der Ehe, gar nicht möglich sind. Das wird oft als Hemmnis angesehen, eine Ehe einzugehen, weil dann alles unter die Aufteilungsmasse fällt, wenn die Ehe geschieden wird.

BiographischesAstrid Deixler-Hübner ist Professorin an der Johannes Kepler Universität Linz und dort stellvertretende Leiterin des Instituts für Europäisches und Österreichisches Zivilverfahrensrecht. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist das Familienrecht. Bei der Begutachtung des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 war Deixler-Hübner als Expertin im Justizausschuss des Parlaments tätig.