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Schein bestimmt das Dasein

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Liberalisierungsideen der EU-Kommission finden (nicht nur) in Österreich keine Abnehmer. Die bloße Vorstellung, dass Gemeinden ihre Wasserversorgung per Konzession EU-weit ausschreiben müssten, genügte, um einen Schulterschluss herbeizuführen. Der Vorschlag von Staatssekretär Josef Ostermayer, derartigen Privatisierungen per Verfassungsgesetz einen Riegel vorzuschieben, wurde am Wochenende von der ÖVP noch als Populismus abgetan. Diese harte Position ist weicher geworden, es darf angenommen werden, dass auch viele ÖVP-Bürgermeister dieser Idee etwas abgewinnen können. Den Vogel schoss die FPÖ ab, die nun das geplante Spekulationsverbot mit Steuergeld mit dem Wasser verknüpfte - beides soll in die Verfassung.

Die Reaktionen zeigen, dass die EU-Kommission einen entscheidenden Fehler gemacht hat. Sie versucht, diese Liberalisierungsschritte eher still mittels des Wortungetüms "Konzessionsrichtlinie" Realität werden zu lassen. Da es auch in Deutschland vehemente Ablehnung gibt, stehen die Chancen auf Umsetzung eher nicht so gut.

Abgesehen davon, dass sich die EU-Kommission dabei (und bei anderen Projekten der sogenannten Daseinsvorsorge) eher verzettelt und der europäischen Idee keinen guten Dienst erweist, müssen aber auch die österreichischen Politiker aufpassen: Die fulminanten Reaktionen darauf lassen beim Bürger den Schluss zu, dass von der EU überhaupt nichts Gutes kommt.

Das wäre ein Trugschluss. Die EU-Kommission versucht, den Binnenmarkt voranzutreiben, das ist ihr Job. Dass eine EU-weit konzertierte Industriepolitik aber für den Arbeitsmarkt der Union viel besser wäre, übersieht sie. Und nicht nur sie. Die Regierungschefs, die Finanz- und Wirtschaftsminister, die Energieminister, die Umweltminister treffen einander regelmäßig. Aus diesen Räten sollten klare Vorgaben für die EU-Kommission kommen, sich für die Industrie einzusetzen.

Das war nicht der Fall.

Wer also auf die EU schimpft, weil sie "unser Wasser" privatisieren will, leistet den gefährlichen Vereinfachern Vorschub. Europa braucht aber gestaltende Politiker, die einen gemeinsamen Markt schaffen wollen. Dass sich ein französisches Staatsunternehmen Wasser-Konzessionen von einer staatlichen Körperschaft in Österreich kauft, geht ja nicht einmal als Liberalisierung durch.