Kampf zwischen ÖGB und Teilgewerkschaften um die Vorherrschaft. | Am kommenden Dienstag treffen einander also die ÖGB-Granden. Dabei soll noch nicht über konkrete Reformvorstellungen gesprochen werden. Nur ein Prozessablauf soll vorerst einmal festgelegt werden. Vielleicht ist das auch gut so, denn möglicherweise wäre damit der 23. Mai zugleich Start und Ende.
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Zu weit klaffen derzeit die Vorstellungen darüber auseinander, in welche Richtung die Gewerkschaftsbewegung sich entwickeln soll. Da gibt es jene Gruppe, die einen völligen "Neustart" wünscht. Angeführt wird diese vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang Katzian. Er hat diesen Begriff, dessen Schöpfer eigentlich der geschäftsführende ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer ist, mit Leben erfüllt: Ein ÖGB - unterteilt in Wirtschaftsbereiche. Ein solcher "Neustart" würde de facto eine Auflösung der Teilgewerkschaften bedeuten.
Mit dieser Idee kann sich aber nicht nur die ÖVP-dominierte Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) nicht anfreunden. Wiederstände dagegen gibt es auch von den mächtigen Metallern um Erich Foglar.
Katzian hat derzeit offiziell nur die Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier (DJP), die im Herbst eine Fusion mit der GPA anstrebt, auf seiner Seite. Foglar dagegen weiß Bau-Holz und Chemiearbeiter hinter sich, denen er einen Platz in der Metallerzentrale in der Wiener Plößlgasse angeboten hat.
Unklar bleibt, auf welche Seite sich die neu formierte Vida - bestehend aus den Gewerkschaften der Eisenbahner sowie Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst und Handel, Transport, Verkehr - schlagen wird. Und dann gibt es noch die Postgewerkschaft und jene der Gemeindebediensteten, die sich völlig bedeckt halten.
Verkompliziert wird die Sache noch weiter dadurch, dass im ÖGB-Präsidium teilweise die Vorsitzenden der Teilgewerkschaften vertreten sind, jedenfalls aber im ÖGB-Vorstand. Einige Vorsitzenden sehen sich also in ihrer Rolle durchaus gespalten. Wird daher der Dachverbund ÖGB gestärkt, schwächt dies die Position ihrer Organisation, in der sie das nahezu alleinige Sagen haben. Stärkt man dagegen den ÖGB und verabschiedet sich von den Teilgewerkschaften, schafft also eine stringente Struktur, verlieren die Vorsitzenden an Macht und Einfluss. "Ein Kampf, den der ÖGB nicht gewinnen kann": So kommentiert ein Insider die derzeitige Situation.
Ob diese auseinanderstrebenden Machtinteressen durch interne Arbeitsgruppen ausgeräumt werden können, ist aus derzeitiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Damit steht aber auch hinter der gesamten ÖGB-Reform, die beim Bundeskongress im Jänner 2007 beschlossen werden soll, ein großes Fragezeichen.
Es sei denn, jeder überspringt seinen Schatten, stellt Eigeninteressen zurück und denkt an das große Ganze. Dafür scheint der politische und finanzielle Druck noch immer nicht groß genug zu sein.