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Schelling warnt: Nicht nur Entlastung

Von Brigitte Pechar

Politik

Regierung verspricht Reformprojekte - Nationalratspräsidentin plädiert für Kompromissbereitschaft.


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Wien. SPÖ und ÖVP ist in den hektischen Tagen rund um die Regierungsumbildung offenbar eines klar geworden: Sie müssen beide eine Wahl gewinnen. Am Dienstag hörte man daher sowohl im Pressefoyer nach dem Ministerrat, das Bundeskanzler Werner Faymann erstmals mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bestritt, als auch im Nationalrat aus den Erklärungen von Kanzler und Vizekanzler und von den Wortmeldungen der neuen Regierungsmitglieder den Willen zum Durchstarten heraus.

Festgelegt hat sich die Regierung aber schon einmal auf zwei Punkte: Ende September sollen in einer Klausur die Leitlinien festgelegt werden, wie man - statt sich unterschiedlich zu profilieren - zu gemeinsamen Lösungen kommen kann. Aus dem täglichen Sperrfeuer soll auch die Steuerreformdebatte kommen. Hier gab Faymann nur eine Vorgabe: Die ungerechtfertigt hohen Steuersätze für Arbeitnehmer müssten gesenkt werden. Mitterlehner wiederum will nichts mit Festlegungen blockieren.

Aber es gibt einen Fahrplan, den auch der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling später im Nationalrat bei seiner ersten Rede als Regierungsmitglied wiederholte: Bis Herbst wird es ein Konzept geben, im März 2015 soll die politische Beschlussfassung folgen. Eines stellte Schelling gleich einmal klar, es gehe nicht primär um eine Senkung, sondern um eine Reform. Vereinfachen und Entrümpeln sei angesagt, nicht nur Entlastung. Über eine mögliche Gegenfinanzierung wollte sich Schelling noch nicht den Kopf zerbrechen, er hoffe, "dass wir ausgabenseitig das Auslangen finden", sagte er zu den Abgeordneten und lud die Budget- und Finanzsprecher aller Fraktionen zu Gesprächen ein.

Durchstarten wollen Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Als neue Strategie nehmen sie sich vor, die Differenzen nicht mehr nach außen zu tragen und setzen einen klaren Zeitplan für die Steuerreform: Präsentation der Eckpunkte im Herbst, Beschluss im März 2015.
© photonews.at, Georges Schneider

"Auch die ÖVP ist für eine Steuerreform. Es geht aber nicht um das Wollen, sondern um das Können", sagte auch Mitterlehner im Plenum bei seiner ersten Wortmeldung als Vizekanzler. Es brauche daher eine Aufgabenreform, sagte auch der Vizekanzler. "Eventuell" könnte am Ende der Debatte noch eine Gegenfinanzierung notwendig sein, "aber das ist der Schlussstein". Und: Eine Steuerreform mit einem Volumen von sieben bis zehn Milliarden Euro sei schon rein rechnerisch nicht ausschließlich über Vermögenssteuern zu finanzieren.

Während also die Regierungsmitglieder der ÖVP sich zuerst einmal über ausgabenseitige Maßnahmen den Kopf zerbrechen wollen, hört man in der breiteren ÖVP-Umgebung auch davon, dass eventuell eine Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte als Gegenfinanzierung kommen könnte, Claus Raidl etwa hat von einer Anhebung um einen Prozentpunkt gesprochen.

Während sich also die neue Regierung in sehr viel Harmonie wiegte, kamen von der Opposition nach den Erklärungen der Regierungsspitze Warnschüsse. Die FPÖ bedachte die gesamte Regierung, die gerade eben vorgestellt wurde, gleich einmal mit einem Misstrauensantrag. FPÖ-Obmann Strache meinte, es sei nur "more of the same" zu erwarten. Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig warnte: "Es ist Ihre letzte Chance, die allerletzte."

Der Tag von Doris Bures

Aber eigentlich war der Dienstag der Tag von Doris Bures. Ihre Wahl zur Nationalratspräsidentin war der erste Tagesordnungspunkt im Nationalrat. Vor der Wahl setzte der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf noch eine Schweigeminute für die am 2. August verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer an.

Bures erhielt 117 von 150 abgegebenen Stimmen, was 78 Prozent entspricht. Alle Klubobleute hatten vor der Wahl ihre Zustimmung zur neuen Präsidentin signalisiert - wenngleich die Grünen einen Rollenwechsel von ihr verlangten.

Sie sei 1990 das erste Mal als Abgeordnete angelobt worden, sagte Bures in ihrer Rede. Schon damals habe das Hohe Haus eine große Faszination auf sie ausgeübt und sie sei in 17 Jahren als Mandatarin stets stolz gewesen, Abgeordnete zu sein. "Das Haus des Volkes ist das Zentrum unserer Demokratie", sagte sie und das Wesentliche in einer Demokratie sei, die Bereitschaft und Fähigkeit, Kompromisse zu schließen. Dies forderte sie auch für die Zukunft ein. Bures versprach, eine faire und überparteiliche Präsidentin sein zu wollen. Sie wünsche sich "ein offenes, ein lebendiges, ein arbeitendes Parlament".