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Der Finanzminister schwört Stein und Bein, dass die Steuerreform ihr Geld für die Bürger wert ist. Und wenn nicht?
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Wien. Eine Stunde lang dozierte Finanzminister Hans Jörg Schelling am Dienstag im gläsernen Dachgeschoß des Finanzministeriums über die Details der Steuerreform - und es machte nicht den Eindruck, als würde er der Journalisten-Schar das Blaue vom Himmel erzählen. Es wirkte vielmehr so, als wolle er mit Akribie und Detailwissen die von Wirtschaftsforschern, Leitartiklern und der EU geäußerten Zweifel am Reformwerk zerstreuen.
Obwohl Schelling seinen Steuersektionschef Gunter Mayr an seiner Seite hatte, erklärte er selbst, was sich bei der Abschreibung für Badezimmer ändert, ab welcher Wohnungsgröße künftig die Grunderwerbssteuer für Pärchen anfällt, welche Software Registrierkassen im Lokal sicher macht oder was eine Behaltepflicht von Kassezetteln für Kunden juristisch heißt. Insgesamt summieren sich die steuerlichen Reformen auf einen Betrag, der die "größte Steuerreform aller Zeiten" (Bundeskanzler Werner Faymann) ermöglichen soll. Der Entwurf des entsprechenden Gesetzes geht am Dienstag in Begutachtung. Anfang Juli soll es im Parlament beschlossen werden.
Fünf Milliarden an Lohnsteuern soll die Reform den Bürgern ersparen. Über diverse Steuerreformrechner können Bürger schon jetzt über hunderte Euro frohlocken, die sie ab 2016 mehr im Börsel haben.
Die Opposition und viele Kommentatoren glauben aber nicht daran. Sie reden oder schreiben die größte Reform klein und setzen genau an jenem Pflock der Reform an, den Schelling selbst eingeschlagen hat: am Kampf gegen den Steuerbetrug durch die Pflicht, als Wirt eine Registrierkasse zu führen, durch transparente Konten oder mehr Kontrolle am Bau. 1,9 Milliarden Euro versprechen sich Schelling und seine Finanzbeamten dadurch. Das ist der größte Brocken, um die Steuersenkung für alle zu finanzieren, ohne dass die Schulden in die Höhe schießen. Deswegen ist es dieses fast zwei Milliarden Euro schwere Versprechen, an dem Schelling zu messen sein wird - und zwar jährlich.
Für die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Margit Schratzenstaller, ist es "schwer zu schätzen", ob Summen in dieser Höhe einzutreiben sind. Fraglich sei, ob die Ausstattung der Finanzämter dafür reicht. Andere Wirtschaftsforscher äußerten ihre Bedenken noch drastischer. "Es ist der Job der Ökonomen, alle zwei Monate eine neue Prognose zu erstellen. Man sollte eine Prognose darüber machen, was sie als Nächstes prognostizieren", zerstreute der Minister diese Einwände. Bedenken der EU-Kommission konterte er mit dem Hinweis, dass sich die Einschätzung ändern werde, sobald die konkreten Gesetze vorlägen. Und den Rest der Bedenkenträger verwies er auf das Taxigewerbe in Deutschland oder die kanadische Provinz Quebec. Dort habe die Einführung von Registrierkassen deutlich mehr Steuereinnahmen gebracht als ursprünglich geschätzt.
Sektionschef Mayr bezifferte das Finanzvermögen der Österreicher mit 570 Milliarden Euro. Wenn nur ein Prozent als Schwarzgeld gelagert werde, wären das 5,7 Milliarden Euro, so seine Rechnung. Durch den verstärkten Kampf gegen Schwarzgeld habe man aber nur 700 Millionen Euro eingebucht. "Ich habe von Anfang an darauf bestanden, dass die Finanzierung halten muss. Deswegen haben wir sehr konservativ gerechnet", sagte Schelling.
Aber hat der Rechnung nicht ohne die Grünen gemacht? Schelling braucht die Partei, um das Bankgeheimnis mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu lockern. "Es wird keine Gegengeschäfte geben", sagte Schelling und schloss damit teure Änderungen aus. "Treten Sie zurück, wenn die Steuerreform doch nicht hält?", wollte die "Wiener Zeitung" vom Minister wissen. "Das überlege ich mir dann, wenn der Fall eintritt." Das sei aber reine Spekulation, weil der Fall "nicht eintreten" werde.