Zum Hauptinhalt springen

Schelte für Scholz

Politik
Oppositionschef Merz (r.) sparte nicht mit Kritik an Kanzler Olaf Scholz.
© reuters / Hannibal Hanschke

Die Linie von Deutschlands Kanzler gegenüber Russland und der Ukraine sorgt erneut für Diskussionen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Parlament komme seinem Zweck als Ort politischer Debatten nur bedingt nach, der Pragmatismus der schwarz-roten Koalition schaffe eine Mehltau-Stimmung und sorge für Politikverdrossenheit. Derartige Kritik wie unter der Ära Merkel muss sich Deutschlands Kanzler Olaf Scholz nicht nachsagen lassen. Angriffslustig präsentierten sich sowohl der Sozialdemokrat als auch Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch im Bundestag. Der Konservative kritisierte, der Kanzler erkläre lediglich, dass Russland den Krieg nicht gewinnen dürfe und die Ukraine bestehen müsse. "Warum sagen Sie nicht einfach und ganz klar, die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen?"

Immer wieder ist Scholz mit dem Vorwurf konfrontiert, nur halbherzig aufseiten der Ukraine zu stehen. Zwar verkündete er drei Tage nach dem Überfall auf die Ukraine die "Zeitenwende" und machte den Weg für Waffenlieferungen frei. Reden mit klaren Botschaften mischten sich aber mit Auftritten, bei denen Scholz viel redete, aber wenig sagte.

In der Krise profiliert hat sich Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der die Bürger teils schonungslos an moralischen Dilemmata teilhaben ließ - etwa wenn die Alternativen für russische Rohstoffe bedeuten, Geschäfte mit arabischen Diktaturen machen zu müssen. In der aktuellen Umfrage des Instituts Forsa liegen die Grünen mit 24 Prozent deutlich vor der SPD. Die Sozialdemokraten kommen nur auf 20 Prozent, klar in Führung sind CDU/CSU mit 29 Prozent.

Merz’ Kritik befand der Kanzler als "einfach dahergeredetes Zeug, das Sie da vortragen". "Putin darf und wird diesen Krieg nicht gewinnen", betonte Scholz. Er nannte es überheblich und völlig fehl am Platze, wenn in Deutschland über Kriegsziele und die Frage, was die Ukraine zu tun habe, diskutiert werde. Darüber entscheide nur die Ukraine selbst, "und niemand sonst, Herr Merz". Allerdings dreht sich die deutsche Debatte vielmehr darum, was die Bundesrepublik für die Ukraine beisteuern kann.

Ukraine wartet Monate auf Flugabwehrsystem

Auch hier geraten insbesondere Scholz’ Sozialdemokraten laufend in Erklärungsnot. Sei es bei der Lieferung schwerer Waffen durch deutsche Rüstungskonzerne oder beim sogenannten Ringtausch. Hierbei liefern insbesondere ehemalige Staaten des Warschauer Pakts Waffen aus Beständen, mit denen die ukrainische Armee vertraut ist. Deutschland stattet dafür die abgebenden Verbündeten mit Waffen aus. Ein solcher Tausch sei bereits mit Tschechien vollzogen worden, ein weiterer stehe laut Scholz mit Griechenland an. Polens Präsident attestierte jedoch Deutschland vergangene Woche Wortbruch, die Regierung in Berlin war darüber "verblüfft".

Im Bundestag strich Scholz daher hervor, was die Bundesrepublik bereits geliefert habe, darunter mehr als 15 Millionen Schuss Munition. Die zugesagten schweren Waffen, 50 Flugabwehrpanzer und sieben Panzerhaubitzen - Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 40 Kilometern - sind jedoch noch immer nicht in der Ukraine eingetroffen. Am Mittwoch verkündete Scholz, dass die Ukraine das modernste Flugabwehrsystem erhält, über das Deutschland verfüge. Die Lieferung dauere jedoch Monate, gestand Außenministerin Annalena Baerbock.

Wesentlich schneller setzen die baltischen Länder ihre Hilfe für die Ukraine um, Estland steuert gemessen an der Wirtschaftsleistung die höchsten bilateralen Regierungshilfen bei. Nichts hält Premierministerin Kaja Kallas hingegen von Gesprächen mit Wladimir Putin; zuletzt telefonierten Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem russischen Machthaber. "Wir hatten eine sehr hitzige Debatte darüber, Putin anzurufen", gab Kallas einen Einblick in die Gespräche beim EU-Gipfel zu Wochenbeginn. Sie sprach dabei ironisch von "sogenannten Vorteilen" der Telefonate seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Einig sind sich Estland, Deutschland und viele andere Nato-Staaten, angesichts der russischen Aggression die Rüstungsausgaben deutlich zu erhöhen. Am Freitag beschließen die Bundestagsabgeordneten das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Davon sollen fast 41 Milliarden Euro der Luftwaffe zugutekommen, zum Beispiel für neue Kampfjets. Den zweitgrößten Posten bildet die Marine mit 19,3 Milliarden Euro. Zumindest hierbei sind sich Regierung und CDU/CSU einig. (da)