Die Schwäche Europas ist unsere fehlende Einheit. Wenn diese Einheit nicht mit 28 Staaten geht, muss der Kreis kleiner gezogen werden.
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28 Schrebergärten mit Stacheldrahtzaun - das ist das Europa, das derzeit gebaut wird. Viele EU-Staaten, darunter auch Österreich, ziehen die nationale Karte. Die EU-Regierungen sind unfähig oder nicht willens, die Flüchtlingskrise gemeinsam zu ordnen. Auch Österreich beschreitet zunehmend Alleingänge, angeführt von Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie mögen mit dem Vorgaukeln "einfacher" Lösungen Applaus in den eigenen Reihen und von rechts sammeln. Wer aber ernsthaft glaubt, dass die Zukunft in Kleinstaaterei liegt, der hat die Zusammenhänge unserer globalisierten Welt nicht verstanden. Wenn meine Kinder einst so alt sein werden wie ich heute, wird bei einem G8-Treffen entweder ein geeintes Europa am Tisch sitzen oder niemand mehr von unserem Kontinent - mit Ausnahme Russlands. Europäische Staaten werden als gestaltende Kräfte von Ländern wie China, Indien, Brasilien, Indonesien und Mexiko abgelöst werden. Europa wird keine wesentliche Rolle mehr spielen. Wir werden so zum Spielball des Weltgeschehens - ohne dass wir darauf Einfluss nehmen können. Wer sich nicht definiert, wird definiert. Wir werden unsere lang und hart erkämpften Werte wie Freiheit, Rechtsstaat und gesellschaftliche Solidarität dann nicht mehr gewährleisten können. Die Wirtschaftsstandards werden von China diktiert, unser Frieden wird von den Assads der Zukunft abhängig sein. Ob meine Töchter einst ihre Meinung frei kundtun können in ihrem Land, das wird sich zeigen. Es zahlt sich also aus, für eine Union zu kämpfen. Die Schwäche Europas ist unsere fehlende Einheit. Wenn diese Einheit nicht mit 28 Staaten geht, muss der Kreis kleiner gezogen werden. Wir brauchen eine Gruppe der Entschlossenen, die neue Wege geht. Die Verkleinerung von Schengen ist dabei eine Option und kann sogar zum Nukleus für ein starkes Kerneuropa werden. Doch die Anmoderation von Schengen 2.0 kann nicht in jener Tonalität gelingen, wie sie von Mikl-Leitner vorgetragen wird. Wollen wir aus den Verfehlungen des Schengen- und Dublin-III-Systems lernen, so liegt es auf der Hand, dass Schengen 2.0 vor allem auch ein neues Asylsystem aufbauen muss. Ein Asylsystem, das gemeinsam organisierte und finanzierte Aufnahmezentren an den Außengrenzen betreibt; ein System, das eine faire Verteilung auf alle Länder vorsieht und sich auf Standards einigt. Angesichts der großen Anzahl der Asylsuchenden ist für Kriegsflüchtlinge rasch die Möglichkeit umzusetzen, nur um temporären, subsidiären Schutz ansuchen zu können, um so die Verfahrensdauern zu verkürzen. Und es braucht einen gemeinsamen Ansatz für eine geordnete Arbeitsmigration (Arbeitstitel: Blue Card+). Nicht jeder kann kommen und einfach sein Glück versuchen. Hier sollten wir von Ländern wie Kanada lernen. Wandeln wir die Krise zur Chance für Europa! Die Schlagzeilen-Politik der Bundesregierung schielt auf billigen Stimmenfang und hilft nicht weiter. Was es braucht, ist ein beherztes Anpacken. Wir brauchen eine radikale Erneuerung aus der Mitte und proeuropäische Lösungen. Für Österreich. Für Europa.