Barroso: Ereignisse in Bukarest "haben unser Vertrauen erschüttert".
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Brüssel. Nein, ein Fehler sei es nicht gewesen. Offiziell bleibt die EU-Kommission bei ihrem Standpunkt, dass die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die Union 2007 richtig gewesen sei. Doch hinter vorgehaltener Hand leugnet kaum jemand, dass der Zeitpunkt verfrüht war. Und die jüngsten Berichte der EU-Kommission zu den beiden Ländern bestätigen dies. Denn noch im sechsten Jahr ihrer Mitgliedschaft stehen die Staaten unter Beobachtung der Gemeinschaft, was sich zumindest in den nächsten Monaten auch nicht ändern wird.
Die Sorge, dass der Rechtsstaat zu wenig gestärkt und die Umsetzung demokratischer Standards immer wieder gefährdet ist, hat sich gerade bei Rumänien in den vergangenen Wochen noch vertieft. Im Eiltempo hat die neue Mitte-Links-Regierung in Bukarest ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten eingeleitet und an der Unabhängigkeit solcher Institutionen wie des Verfassungsgerichts gerüttelt. "Die Ereignisse haben unser Vertrauen erschüttert", sagte denn auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Präsentation der Berichte. Die Fortschritte, die das Land in den vergangenen Jahren gemacht habe, seien dadurch in Frage gestellt worden.
Mehr Zeit für Sofia
Daher wird Rumänien weiterhin überwacht. Zusätzlich zu den Reformen im Justizbereich und in der Korruptionsbekämpfung, die laut Bericht zwar eingeleitet worden, doch noch immer "nicht nachhaltig und unumkehrbar" seien, muss das Land bis Jahresende ein paar konkrete Anforderungen umsetzen. So sollen zwei Eilverordnungen wieder aufgehoben werden, die unter anderem die Amtsenthebung von Präsident Traian Basescu beschleunigen sollten. Auch fordert die EU-Kommission die Ernennung eines überparteilichen Ombudsmannes sowie die Vermeidung von Begnadigungen durch den Interimspräsidenten. Es gab nämlich die Befürchtung, dass die Regierung von Premier Victor Ponta ihre neu gewonnene Macht dazu nutzen würde, den wegen Korruptionsvorwürfen inhaftierten Ex-Ministerpräsidenten Adrian Nastase aus dem Gefängnis zu holen.
Schon hat Ponta zugesichert, den Bedenken der EU-Kommission Rechnung tragen zu wollen. Ende des Jahres will Brüssel den nächsten Bericht präsentieren.
Bulgarien hingegen soll mehr Zeit bekommen, die eingeforderten Reformen umzusetzen. Zwar habe das Land grundlegende Gesetze sowie wichtige neue Stellen - etwa zur Bekämpfung der Korruption und des organisierten Verbrechens - geschaffen. Doch gelte es, "die verbliebenen Lücken im gesetzlichen und institutionellen Rahmen zu schließen", heißt es in dem Bericht. Auch müsse die Kooperation zwischen den Behörden noch verbessert oder die Integrität von Richtern gestärkt werden. Ihre nächste Beurteilung dazu will die Kommission Ende des kommenden Jahres vorlegen.
Aus dem EU-Parlament kommt Zustimmung zu den Berichten der Kommission. Auch Berlin unterstützt die Forderungen aus Brüssel. Deutschland gehörte zu jenen Ländern, die dem geplanten Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Schengen-Zone, in der Reisen ohne Grenzkontrollen möglich sind, mit besonderer Skepsis entgegensahen. Die Aufnahme ist bereits verschoben worden; im Herbst sollen die EU-Staaten erneut darüber beraten. Dass die Berichte der Kommission Einfluss auf die Debatte haben werden, ist aber jetzt schon absehbar.