Zum Hauptinhalt springen

Schengen-Fiasko zeichnet sich ab

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EU verliert Geduld mit EDV-Konzernen. | Neue Polizei- datenbank funktioniert nicht. | Mindestens 70 Millionen Euro weg. | Brüssel. Das Drama um eine neue EU-Fahndungsdatenbank für den Schengenraum spitzt sich zu. Nach jahrelanger Verschleppung des Projekts wird es für das belgisch-französische Konsortium, das mit dem Aufbau betraut worden war, langsam eng. Die EU will den Vertrag mit der Belgien-Tochter des Computergiganten Hewlett Packard (HP) und dem EDV-Konzern Steria nach Informationen der "Wiener Zeitung" wohl demnächst kündigen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Denn weiterhin können grenzüberschreitend tätige Kriminelle von den Polizeikräften nicht rasch anhand von biometrischen Daten wie Fingerabdrücken identifiziert werden; die Kosten explodieren. Mindestens 70 Millionen Euro sind laut letzten vorsichtigen Schätzungen bereits allein aus dem EU-Budget investiert worden. Zusammen mit den Ausgaben der Mitgliedstaaten könnten es hunderte Millionen Euro sein.

Den Schlusspunkt des fortwährendem Scheiterns setzte ein Test im Jänner, bei dem der Zentralrechner des sogenannten Schengen-Informationssystems II (SIS II) endlich einmal für 72 Stunden ohne Fehler laufen sollte - bloß stürzte das Netzwerk nach 24 Stunden komplett ab. Bei der Evaluierung seien die EDV-Experten zur Einsicht gekommen, dass das Versagen offenbar erneut beim Konsortium und nicht etwa an zugekauften Komponenten gelegen habe, hieß es.

Uraltes modernisiert

Für diesen Fall haben die Innenminister letzten Juni beschlossen, dass ein Alternativszenario greifen müsse. Die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise muss innerhalb von zwei Monaten fallen. Schließlich hätte HP/Steria bereits spätestens 2007 fertig sein sollen. Kurzfristig hatte die EU-Kommission schon die Erweiterung des grenzenlosen Schengenraums vor gut zwei Jahren aufschieben wollen, bis SIS II fertig ist. Nur nach erbitterten Protesten der Polen, Tschechen, Slowenen und anderer wurde damals schließlich das bereits seit fast 15 Jahren laufende Schengen-Informationssystem I um weitere Anschlüsse ausgebaut.

Dasselbe könnte jetzt wieder blühen: Eine der Möglichkeiten ist die Modernisierung der uralten bestehenden Datenbank, damit auch diese biometrische Merkmale gesuchter Verbrecher speichern kann. Für eine zeitgemäße Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität sei das ein Mindeststandard, mahnen Ermittler. Welche konkreten Schritte unternommen werden, sollen die Innenminister nach derzeitiger Planung im April beschließen. Österreich und Deutschland setzen sich bereits seit langem dafür ein, das Millionengrab nur endlich einmal zu schließen.