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Die Anschläge in Paris könnten die Debatte um Einschränkungen der Reisefreiheit noch anheizen.
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Brüssel. In die Worte der Anteilnahme mischten sich Ankündigungen der Solidarität. In den Briefen aus EU-Institutionen an Staatspräsident Francois Hollande und seine französischen Landsleute war viel vom gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus die Rede. Und davon, dass die Anschläge in Paris nicht zuletzt ein Angriff auf die europäischen Werte waren. Doch werde die Gemeinschaft nicht zulassen, dass "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" untergraben werden, schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Die Terroristen wollten "das Herz der westlichen Zivilisation" treffen, Angst verbreiten und die Union spalten, befand EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Doch sei Europa in der Terrorbekämpfung geeint. Seine Solidarität brachte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Ausdruck.
Von Vergleichen mit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 wollte in einer ersten Reaktion jedoch niemand sprechen. Es sei noch zu früh, Schlüsse zu ziehen; zunächst einmal seien die Ereignisse von Paris zu analysieren und zu begreifen, hieß es aus dem Büro von Schulz. In Aktionismus zu verfallen, sei nicht das Richtige, war aus Kommissionskreisen zu hören. Und in der Kanzlei des EU-Ratspräsidenten wurde auf die Anti-Terror-Strategie der Union verwiesen, die es umzusetzen gilt. Juncker und Tusk wollen Sonntag beim G20-Gipfel in der türkischen Stadt Antalya Stellung nehmen.
Parallelen zu Terror in Mumbai
Sicherheitsexperten ziehen eher Vergleiche mit den Attacken in Mumbai vor sieben Jahren. In der indischen Metropole hatten Terroristen an zehn verschiedenen Orten um sich geschossen, Handgranaten geworfen und Geiseln genommen. 174 Menschen kamen um. Dem ähneln die Vorkommnisse in Paris eher, meint Steven Blockmans von der in Brüssel ansässigen Denkfabrik CEPS (Centre for European Policy Studies). Eine Parallele zu 9/11 findet er hingegen zu dramatisch. "In Paris war es eine andere Art der Koordinierung als in New York, wo es präzise Vorbereitungen und sogar den Einsatz von Flugzeugen gegeben hat", sagt Blockmans, der die EU-außenpolitische Abteilung bei CEPS leitet. Außerdem hätten in Frankreich die Ziele weder hohen symbolischen Wert noch politische Bedeutung.
Dennoch sieht der Experte die Möglichkeit, dass die Ereignisse, so wie es in den USA der Fall war, zu Einschränkungen für Bürger führen könnten – vor allem in der Reisefreiheit. Denn schon die Flüchtlingskrise hat mehrere EU-Mitgliedstaaten dazu gebracht, ihre Grenzen verstärkt zu sichern und abzuschirmen. Nun könnten die Warnungen von EU-Vizepräsident Frans Timmermans und Ratspräsident Tusk, dass das Schengen-Abkommen und damit das Reisen ohne Grenzkontrollen in Gefahr sei, durch die Anschläge in Paris zusätzliche Aktualität erhalten. In die Debatte um die Aufnahme und Verteilung von Asylwerbern könnte somit ebenfalls neue Schärfe kommen.
Polen zögert bei Flüchtlingsaufnahme
Die Attacken könnten populistischen Forderungen nach einer Abschottung Europas neue Nahrung geben, stellt Blockmans fest. Und dass sich die ablehnende Haltung mancher Länder gegenüber der Umsiedlung von Schutzsuchenden noch verhärtet, sei nicht auszuschließen. Mitgliedstaaten wie Polen oder Tschechien haben immer wieder vor der Ankunft potenzieller Terroristen gewarnt und in den Diskussionen um die Flüchtlingsverteilung den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gestellt.
Wie zur Bestätigung kam aus Warschau schon die Ankündigung, dass sich die neue polnische Regierung von den vor kurzem eingegangenen Verpflichtungen entbunden fühlt. Das scheidende Kabinett hat – anders als die Regierungen in Prag, Bratislava, Budapest und Bukarest – nach längerem Zögern zugestimmt, mehrere tausend Asylwerber zu versorgen. Aber nach den Terrorangriffen hat der neue designierte Europaminister Konrad Szymanski schon Zweifel an der Umsetzbarkeit der Zusagen geäußert. Zunächst einmal müsse es "Sicherheitsgarantien" geben, erklärte er. Nur unter dieser Bedingung könnten Flüchtlinge aufgenommen werden.