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Schenken als Griff in fremde Taschen

Von R.G. Kerschhofer

Gastkommentare
"Wenn 'soziale Projekte' subventioniert werden sollen, muss irgendwer feststellen, was sozial ist. Das bringt mehr Bürokratie, Missbräuche - und Spendenproporz."

Die Absetzbarkeit von Spenden ist eine feine Sache: Es geht um einen guten Zweck und kostet anscheinend nichts. De facto aber werden künftig Spender das Steueraufkommen mindern und damit die Staatsschulden samt Zinsenlast erhöhen oder Steuererhöhungen beziehungsweise Ausgabenkürzungen erzwingen. Die populistische Absetzerei ist also ein Griff in fremde Taschen - so wie sich ja einst schon eine Regierung Sympathien erkaufte, indem sie bestimmte Mitgliedsbeiträge absetzbar machte. Schön proporzmäßig, hier Gewerkschaft, da Kirche.


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Fiskalisch und gesellschaftspolitisch vertretbar ist die Absetzbarkeit von Aufwendungen dann, wenn sie zu Handlungen anregt, die (a) Wertschöpfung mit sich bringen und (b) ohne diesen Anreiz unterbleiben würden. Es sind dieselben Kriterien, die für Förderung im echten Sinn zu gelten haben - "fördern", abgeleitet von "vor", heißt "vorwärtsbringen". Alle anderen Begünstigungen sind Subventionen (Hilfeleistungen), die Wertvernichtung bringen oder bestenfalls BIP-neutrale Umverteilung sind.

Wenn mittels Absetzbarkeit "soziale Projekte" subventioniert werden sollen, muss irgendwer feststellen, was sozial ist. Das bringt mehr Bürokratie, Missbräuche - und Spendenproporz. Die Spenden gehen nicht an Personen, sondern an mehr oder weniger wohltätige Organisationen - und die sind immer auch politische Instrumente, selbst wenn sie die Nächstenliebe im Namen führen. Sie sind Teil der "Zivil-Gesellschaft", die so sehr propagiert wird, weil sie auf Aushöhlung (national-)staatlicher Strukturen abzielt, keiner demokratischen Kontrolle unterliegt und sich sogar gegen die Interessen des Staatsvolks einsetzen lässt. Musterbeispiel der Fall Zogaj.

So wie mit "Förderung" und "Subvention" wird auch mit "sozial", "Wohltätigkeit" und "Nächstenliebe" terminologischer Missbrauch getrieben. Hielte sich jeder an das Gebot der christlichen Nächstenliebe, stünde also seinen Nächsten bei, müsste sich keiner um die Übernächsten kümmern. Nächstenliebe kann sich sehr wohl in materieller Hilfe manifestieren, muss dies aber keineswegs tun. Vor allem darf sie nie zu Lasten Dritter gehen! Nächstenliebe ist daher immer wohltätig und sozial, während der Umkehrschluss nur bedingt zulässig ist.

Bei allem Organisierten, ob Sozialpolitik oder Wohltätigkeitsvereine, spielen stets auch Eigeninteressen, Machtausübung und Eitelkeiten mit. Sozial ist, was die Societas (Gemeinschaft) insgesamt verbessert. Die Begünstigung vermeintlich Benachteiligter ist nur dann sozial, wenn dabei nicht mehr Schaden als Nutzen entsteht - was zufällig der Nächstenliebe entspricht.

Wenn in der Nachbarwohnung jemand unbemerkt sterben kann, während wir dank Absetzbarkeit voraussichtlich Spendenweltmeister bleiben, ist das nicht Nächstenliebe, sondern Ablasshandel.

Richard G. Kerschhofer lebt als freischaffender Autor in Wien.