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Warum schicken Sie Ihre "große Liebe" nicht einmal nach Tonga, in den Pazifik? Das kostet Sie weniger, als Sie denken - dank einer Geschäftsidee aus dem alten Berlin der Kaiserzeit.
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Er gründete ein Geschäft und zeugte einen Sohn, der alte Herr Hübner, seines Zeichens Blumenbinder aus dem damals noch noblen Viertel Kreuzberg. Den Sohn nannte er Max; und seine Blumen verkaufte er vorzüglich an Adelshäuser.
Max Hübner übernahm das Blumenhaus und wies stolz darauf hin, "Hofliferant des Prinzen von Sayn-Wittgenstein" sein zu dürfen. So verzeichnet es das Berlin-Adressbuch von 1908. Und Max Hübner hatte eine pfiffige Idee, die sich zu einem bis heute erfolgreichen Modell entwickelte. Er nannte es "Blumenspende-Vermittlungs-Vereinigung". Deren Nachfolgerin kennt heute jeder unter dem Namen Fleurop.
Schon im ersten Jahr zählte die Vereinigung 98 Geschäfte. Heute hat Fleurop allein in Deutschland 9000 Partner und als Teil eines weltumspannenden Firmennetzes 50.000 Mitglieds-Unternehmen in 150 Ländern.
Hübner war der erste, der den Verkauf von Blumen von deren Versand trennte. Das Prinzip, das bis heute funktioniert, ist einfach: Der Kunde geht zum Fachhändler um die Ecke, der setzt sich mit seinem Partner irgendwo in der weiten Welt in Verbindung, der wiederum den floralen Gruß direkt vor Ort an den Empfänger ausliefert - und sei es im fernen Tonga. ("Große Liebe" heißt übrigens einer der Fleurop-Sträuße.)
Dass eine solche Jahrhundert-Idee nicht lange Monopol bleibt, ist klar: Schon zwei Jahre später kopierten die US-Amerikaner das Berliner Modell. In einer komplexen Struktur von Firmenverschachtelungen arbeiten Floristen heutzutage weltweit zusammen. Beinahe konkurrenzlos, denn die auf den Markt drängenden Versandhändler, Blumengroßhändler und Discounter verfügen zwar über kostengünstige Vertriebsnetze, bleiben aber - anders als Fleurop - meist national oder regional eingeschränkt.
Die Europa-Zentrale von Fleurop sitzt bezeichnenderweise in der Berliner Lindenstraße. Zum hundertsten Geburtstag hat sie sich was Besonderes einfallen lassen: Hundert Rosenkavaliere schwärmten vom Brandenburger Tor aus in die Stadt und beschenkten die Berliner mit den duftenden Gaben der Natur.
Wenn Sie einen Strauß verschicken, dann sollten Sie nicht nur ein wenig Geld mitbringen, sondern auch ein paar Grundregeln der Blumensprache kennen. (Letzteres gilt natürlich auch für die Empfänger.) So schreibt zum Beispiel Charlotte de la Tour in ihrem Buch "Le Langage des Fleurs" (Die Sprache der Blumen, 1880): "Die erste Regel besteht darin, zu wissen, dass eine gerade überreichte Blume einen Gedanken ausdrückt... So sagt z. B. eine Rosenknospe mit ihren Dornen und Blättern: Ich fürchte, doch ich hoffe". Es gibt richtige Blumen-Wörterbücher, von Akelei (Torheit) bis Zittergras (Frivolität, Leichtfertigkeit). Vorsicht! Die so beliebte gelbe Teerose signalisiert demnach "Untreue".
Sich "blumig ausdrücken" kannten schon die antiken Rhetoriker. Die sogenannte Redeblume, eine an Verzierungen reiche, indirekte Ausdrucksweise, nannten die alten Römer "Blümchen" (flosculus), aus dem später unsere "Floskel" wurde. Man kann es aber auch im wörtlichen Sinne verstehen. Zur Beruhigung, bevor Sie mit jemandem einen Strauß ausfechten: Einen für alle verbindlichen Duden der Blumensprache gibt es gottlob noch nicht.
Fleurop hat nicht nur eigene Codes entwickelt, sondern auch eine eigene fiktive Währung und ihre eigene Blumensprache: Von "Danke Mami" bis "Sex on the beach", von "tut mir leid" bis "Kopf hoch", von "kleiner Sonnenschein" bis - ja eben: "große Liebe".
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