Yvoir - Acht Pygmäen haben in Belgien böse Erinnerungen an die Kolonialzeit geweckt. Als Verletzung der Menschenwürde brandmarken Kritiker das Laubhüttendorf der kleinwüchsigen Afrikaner in einem Natur- und Freizeitpark an der Maas. Sechs Euro kostet der Eintritt zur Ausstellung afrikanischer Kultur mit lebenden Objekten. Da kommt der Gedanke an die Weltausstellungen von 1894 und 1897 auf, als Kongolesen dem staunenden Publikum wie Affen präsentiert wurden.
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"Wir wollen die Leute für das Los der Pygmäen sensibilisieren, nicht zum Amüsement beitragen", versichert der Organisator der umstrittenen Afrika-Schau, Louis Raets. Alle anderen Attraktionen des Parks, der vor allem für seine Schmetterlinge bekannt ist, seien für die Dauer der Ausstellung verbannt worden. "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aus Respekt vor den Pygmäen dieses Jahr keine lebenden Tiere zeigen", verkündet eine Tafel.
Den Kritikern reicht das nicht. Sie halten die Zurschaustellung der acht Angehörigen des Baka-Volkes aus Kamerun als solche für skandalös. Mit
Demonstrationen und Unterschriftenlisten fordern die Bewegung neuer Migranten (MNM) und das Nationale Zentrum für Entwicklungszusammenarbeit (CNCD) eine Schließung der Schau auf einem idyllischen Gutshof in Yvoir, eine Autostunde südlich von Brüssel.
Damit, meint Organisator Raets, wäre den Betroffenen am wenigsten gedient. Schließlich flössen 2,50 Euro pro Besucher in Projekte für die Pygmäen in Kamerun. Auch die Baka selbst hatten ursprünglich nichts gegen Neugierige einzuwenden. "Besucher? Wir sind bereit, sie zu empfangen", sagte der Chef der kleinen Gruppe, Jean Bibe, der Zeitung "Le Soir" vor dem Beginn der Schau. Man wolle ihnen sagen, "dass wir als Vertreter des Volkes der Baka gekommen sind, um Hilfe für den Bau von Brunnen, Gesundheitszentren und Schulen zu erbitten."
Doch das wachsende Interesse an der Schau, ausgelöst von den öffentlichen Protesten, hat die Pygmäen verunsichert. Nur ein Film zeigt die traditionellen Tänze und Gesänge des Baka-Volkes. Seine acht Abgesandten sitzen derweil stumm in einer Ecke des Gutshofes und trinken Schultenbräu, "original Brauereiabfüllung", aus grünen Halbliterdosen. "Sie verstehen nicht, was geschieht", sagt ihre Betreuerin Marie Alem. Doch sie kapieren genug, um sich vor einer aufdringlichen Fernsehkamera hinter hohe Büsche zurückzuziehen.
Zwischen den Laubhütten hält Roger Owono-Ze die Stellung. Der Sohn einer Pygmäin ist Lehrer und hat die Gruppe aus Afrika in die belgischen Ardennen begleitet. "Wir wollten aus unserer Isolation in Kamerun ausbrechen", sagt der 48-Jährige und erzählt den Besuchern von Löwenhypnose, schmerzfreien Geburten nach Pygmäenart und dem Heilen von Schlangenbissen. "Hier haben wir die gelb blühenden Blumen dafür aber nicht gefunden", fügt Owono-Ze hinzu.
Auch in Afrika stießen die Pygmäen bei der Suche nach ihren traditionellen Lebensgrundlagen zunehmend auf Schwierigkeiten. Der Urwald werde gerodet. Um im modernen Kamerun bestehen zu können, bräuchten die Baka ihren Verhältnissen angepasste Schulen und Krankenstationen, meint Owono-Ze. Die Ausstellung in Yvoir könne dabei helfen: "Plötzlich spricht die ganze Welt von den Pygmäen."
Die wohltätigen Ziele der Organisatoren hat auch das belgische Zentrum für Chancengleichheit und den Kampf gegen Rassismus anerkannt, nachdem es von sieben Klägern angerufen worden war. Die Experten nannten die Aktion "edelmütig, aber problematisch". Zudem ist unsicher, ob das nötige Geld zusammenkommt. Nur 2638 zahlende Besucher hat die Frau an der Kasse in den ersten fünf Wochen gezählt. "Zu den Schmetterlingen", sagt sie, "sind mehr gekommen." dpa
Die acht Pygmäen sind noch bis Ende August in der Domaine de Champalle, Yvoir, zu besichtigen. Mehrere Demos seit Ausstellungsbeginn haben die Besucherzahl stark reduziert. Menschen im Zoo zu zeigen wird als menschenverachtend, humanitäre Katastrophe, Rassismus heftig kritisiert. Die Organisatoren sind angeblich schon pleite und sprechen nun von einer Verleumdungskampagne.