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Über das Elend des heimischen Liberalismus wurden schon viele Bücher geschrieben. Aus aktuellem Anlass ein ernüchternder Rundblick.
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1986 war ein ereignisreiches Jahr in der heimischen Innenpolitik. Kurt Waldheim wurde zum Bundespräsidenten gewählt, Franz Vranitzky löste Fred Sinowatz als Bundeskanzler ab; Norbert Steger musste Jörg Haider als FPÖ-Obmann weichen, woraufhin wiederum Vranitzky die rot-blaue Koalition vorzeitig aufkündigte, Neuwahlen ansetzte - und der lange Höhenflug der Freiheitlichen begann.
Der Wechsel von Steger zu Haider markierte auch das abrupte Ende des Versuchs, die FPÖ in eine liberale Partei nach Zuschnitt der deutschen FDP zu verwandeln. Ansonsten hätten wohl die Wähler ein Jahr später zum regulären Wahltermin diesem Experiment höchstwahrscheinlich den Garaus bereitet. Darauf deuten zumindest die damals veröffentlichten Umfragen hin, die auf einen Abschied der Freiheitlichen aus dem Parlament hinwiesen. Mit einer klassisch liberalen Agenda war - und ist - in Österreich eben keine Partei zu machen - zumindest nicht mehr seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Im Schatten dieser politischen Großereignisse erblickten 1986 auch zwei gesellschaftspolitische Initiativen das Licht der Welt: der Republikanische Club, der im Zuge der Waldheim-Affäre als Zeichen eines anderen, geschichtsbewussteren Österreich gegründet wurde. Und der "Club unabhängiger Liberaler", dessen Protagonisten den Wandel der FPÖ von einer liberalen Option hin zu einer rechtspopulistischen Bewegung neuen Typs nicht hinnehmen wollten.
Letzterer steht nach 25 Jahren nun wohl vor dem Aus. Der Grund: Rainer Ernst Schütz, der Gründer und in Wahrheit die einzig treibende Kraft des Debattier-Clubs, verstarb am 15. Juli im 67. Lebensjahr.
Was die Frage aufwirft, was eigentlich noch an versprengten liberalen Resten in Österreichs politischer Landschaft herumkreucht und fleucht, die sich ansonsten ja vorrangig über aggregierte Klientelpolitik für Gewerkschafter, Pensionisten, Bauern und Beamte oder eben über eine diffuse Stimmungspolitik gegenüber Randgruppen definiert. Für ein unerschütterliches Grundvertrauen in die Freiheit und Verantwortlichkeit der Bürger gegenüber einem immer stärker bevormundenden Staat bleibt da bei SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und BZÖ kein Platz.
Natürlich finden sich in jeder der eben genannten Parteien Spurenelemente und Anknüpfungspunkte liberaler Traditionen, aber stets nur ideologisch höchst selektiv und keinesfalls als programmatischer Überbau, um für einmal kurz einen marxistischen Begriff zu verwenden.
Das politisch Unpraktische am Liberalismus liegt darin, dass, um sich wirklich liberal nennen zu können, man sich nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken kann. Genau das geschieht jedoch im politischen Alltag: Liberale, wohin das Auge blickt, und ausschließlich Scheuklappen-Träger.
Wenn daher SPÖ und Grüne Freiheit für die Kunst fordern, dann vertreten sie zwar ein klassisch liberales Thema, versündigen sich jedoch beim ständigen Ruf nach mehr Staat. In der ÖVP lodern noch allerletzte Reste einer wirtschaftsliberalen Agenda, die mittlerweile allerdings unter dem Kammerstaat verschüttet sind. Die FPÖ hat sich längst gänzlich von ihren liberalen Traditionen verabschiedet. Und was aus dem BZÖ werden wird, das sich als letzte Überlebenshoffnung ausgerechnet einem rechtsliberalen Kurs verschrieben hat, wird man wohl erst nach den Nationalratswahlen 2013 mit Sicherheit erkennen können.
Allerdings ist auch der Rechtsliberalismus gezwungenermaßen auf einem Auge blind.