Europäisch-russische Sonde ist auf dem Mars gelandet - ob sie intakt ist oder beim Aufprall zerschmetterte, ist jedoch unklar.
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Darmstadt/Wien. Den Vertretern der Europäischen Raumfahrtagentur ESA verhielten sich beim Pressebriefing, als würden sie einen halben Triumph für einen ganzen verkaufen wollen. Dabei hätten sie das gar nicht nötig gehabt, denn viel war geglückt. Einige Teile der am Vortag ausgeführten Manöver konnten mit Fug und Recht als "großer Erfolg" bezeichnet werden - die mit großer Spannung erwartete, erste europäisch-russische Landung auf dem Roten Planeten allerdings nicht ganz. "Beim Landemanöver gibt es für uns weiterhin einige offene Fragen", kommentierte ESA-Generaldirektor Jan Wörner betont zurückhaltend am Donnerstag.
Nach einer Flugzeit von sieben Monaten war das Landemodul "Schiaparelli" der Mission Exomars 2016 am Mittwochnachmittag in die Mars-Atmosphäre eingetreten. Kurz danach kam es auf der Oberfläche des Wüstenplaneten auf. Was dabei genau passierte, blieb auch am Donnerstag unklar. Der ESA und ihrem Partner Roskosmos ist somit die erste gemeinsame Landung auf dem Roten Planeten gelungen, doch niemand weiß, in welchem Zustand die kleine Sonde ist. Anders als erwartet, schickt sie seit ihrer Ankunft kein Signal. Das teilten die Verantwortlichen im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt mit.
Denkbar ist, dass "Schiaparelli" mit deutlich zu hohem Tempo auf die Marsoberfläche aufgeschlagen ist. Jedenfalls brachen die Funksignale 50 Sekunden vor der erwarteten Landung auf der Ebene Meridiani Planum unweit des Marsäquators ab. "Es ist klar, dass das kein gutes Zeichen ist", hatte der Leiter des ESA-Missionsbetriebs, Paolo Ferri, schon am Mittwochabend eingeräumt. Einiges deutet darauf hin, dass die 600-Kilo-Sonde in der letzten Landephase nicht ausreichend abgebremst wurde: Womöglich wurde "Schiaparellis" Fallschirm zu früh abgeworfen, oder schalteten sich die Bremsraketen schneller ab als vorgesehen. Allerdings ist derzeit auch noch ungeklärt, unter welchen Wetterbedingungen "Schiaparelli" auf dem Roten Planeten niederging, wie der Leiter der ESA-Planetenmissionen, Andrea Accomazzo, zu bedenken gab.
Mit Schutzschild, Fallschirm und Bremsraketen
Letztlich kann eine Marslandung nur gelingen, wenn Schutzschild, Fallschirm und zuletzt auch die Bremsraketen des Raumfahrzeugs auf dem Höllenritt zur Marsoberfläche nacheinander perfekt funktionieren. Bei "Schiaparelli" war dies offenbar nicht der Fall. Fraglich ist auch, was eine mögliche Bruchlandung der Sonde für die in vier Jahren geplante zweite Exomars-Mission 2020 bedeutet. Dabei soll ein Roboter landen und unter anderem mit einem zwei Meter langen Bohrer tiefer in den Mars-Boden eindringen als bisherige US-Rover. "Schiaparelli" sollte der Testlauf sein. Doch eine fulminante Generalprobe sieht wohl etwas anders aus.
Accomazzo hielt es eher damit, dass einer missglückten Generalprobe üblicherweise eine gelungene Premiere folgt. "Ein Testlauf kann gut laufen oder schiefgehen", erklärte er: "Das Wichtigste dabei sind die Daten, aus denen wir lernen können. Unser Datensatz über die Landetappen, übertragen von der Muttersonde "Trace Gas Orbiter" (TGO), ist bis auf die letzten 50 Sekunden komplett vorhanden." Der Leiter der ESA-Planetenmissionen zeigte sich überzeugt, dass auch die Vorgänge in der letzten Landephase rekonstruiert werden könnten, "da habe ich keine Zweifel".
In den nächsten Tagen soll die europäische Sonde "Mars Express", die seit 2003 über dem Roten Planeten kreist und sich derzeit in der größten Nähe zu "Schiaparelli" befindet, nach Signalen lauschen. Sollte sie weiter schweigen, wollen die ESA-Ingenieure versuchen, vom Boden aus zu intervenieren. Das Testmodul hat einen Empfänger, über den der Bordcomputer erreicht werden kann. In jedem Fall ist Eile geboten, da die Batterien des Geräts nur zehn Tage halten.
Was offenbar perfekt geklappt hat, ist ein anderer Teil der Exomars-Mission. Der Forschungssatellit TGO, der "Schiaparelli" zum Nachbarplaneten der Erde mitgenommen hatte und der sie dann für die Landung entkoppelte, schwenkte auf die geplante Umlaufbahn um den Mars ein. Schon in den kommenden Wochen soll das Raumschiff Spurengase in der Atmosphäre des Roten Planeten analysieren. Bis 2022 soll es dort unter anderem nach Methan suchen. "Das ist ein großer Erfolg", wertete ESA-Chef Wörner die Ergebnisse. "Exomars ist auf mehrere Jahre angelegt, um nach Hinweisen auf Gase von biologischem Leben zu suchen. Diesen Teil können wir nun zu 100 Prozent erfüllen. TGO ist bereit für seine Forschungsarbeiten. Der Satellit ist ein Grundpfeiler der Exomars-Mission 2016 und 2020, und wir sind sehr gut aufgestellt", betonte der ESA-Chef.
Im Budget fehlt ein Betrag von300 Millionen Euro
Ob die Mitgliedstaaten der ESA es auch so optimistisch sehen, muss sich weisen. Für die Experten bei ESA und Roskosmos hängt jedenfalls sehr viel vom Erfolg des jetzigen Teils der Mission ab. Denn das Budget für den zweiten Teil des Projekts, für das die ESA 1,3 Milliarden Euro und Roskosmos eine Milliarde Euro ausgibt, ist noch nicht zur Gänze gesichert. Damit der Rover zum Mars starten kann, müssen die ESA-Mitgliedstaaten bei einer Budget-Sitzung im November weitere 300 Millionen Euro bewilligen.
Bei der österreichischen RUAG Space in Wien lässt man sich vorerst nicht aus der Ruhe bringen. Das Unternehmen konstruiert einen Kamera-Masten sowie die Elektronik für den Bordcomputer des künftigen Mars-Rovers. "Wir sind zuversichtlich, dass die Mission über die Bühne geht und wir zum Mars starten werden", betont Sprecher Gerald Zeynard.