Zum Hauptinhalt springen

"Schicht im Schacht"

Von WZ-Korrespondentin Eva Glauber

Wirtschaft

Stilllegung der letzten Zechen ohne Kündigungen. | Importkohle um zwei Drittel billiger. | Frankfurt. Einst war die Montanindustrie die treibende Kraft der deutschen Industrialisierung. Jetzt hat die Große Koalition in Berlin das Ende der Steinkohleförderung beschlossen: Schicht im Schacht - wie das im Jargon der Bergleute heißt, wenn der Hammer fällt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der deutsche Steinkohlebergbau soll bis 2018 eingestellt werden. Damit laufen die Subventionen, die allein im vergangenen Jahr 2,2 Milliarden Euro betragen haben. Unter den knapp 30.000 Bergleuten, die von mehr als 600.000 deutschen Kumpels in den Glanzzeiten des Ruhrgebiets übrig geblieben sind, soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. SPD-Chef Kurt Beck begründete die lange Frist der Zechenschließungen mit der Rücksicht auf die Bergleute - sie sollten nicht die Zeche für den Ausstieg zahlen. Die Bergbaugewerkschaft IG BCE hat dem Beschluss jedenfalls zugestimmt, der den öffentlichen Haushalten bis 2018 noch rund 30 Milliarden Euro an Subventionen abverlangt.

Auf Druck der Sozialdemokraten, seit je auf der Seite der Bergleute, soll der deutsche Bundestag den Beschluss in fünf Jahren unter dem "Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und der Sicherung der Energieversorgung" auch noch einmal einer Prüfung unterziehen.

Obwohl dem Ausstieg aus der Atomstromproduktion nun das Ende der Steinkohle folgt - die dreimal so teuer kam wie Importe - spielt die Sorge um Abhängigkeit bei der Energieversorgung dabei die geringste Rolle. "Die Importkohle kommt aus Ländern wie Polen, Südafrika, den USA, Kanada und Australien. Da ist Deutschland - anders als beim Gas - nicht von einem einzelnen Importland abhängig", beruhigen Experten. Zur deutschen Energieversorgung trägt heimische Steinkohle ohnehin nur mehr mit fünf Prozent bei.

Weg an die Börse frei

Damit ist für den Chef der Betreibergesellschaft RAG, Werner Müller, der Weg frei, die zukunftsfähigen Teile der RAG an der Börse zu verkaufen. Müller, parteiloser Wirtschaftsminister im ersten Kabinett von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, hatte den Managerposten beim Mischkonzern 2003 mit dem Ziel angetreten, die frühere Ruhrkohle AG zu "entrümpeln", die Kohleförderung abzutrennen und die profitablen Teile - das Spezialchemie-Unternehmen Degussa, den Stromerzeuger Steag und die Immobiliensparte - zu verkaufen.

Voraussetzung für das Gelingen des Plans ist, dass die bisherigen RAG-Eigentümer ihre Anteile für einen symbolischen Euro abgeben. Derzeit halten die beiden Stromversorger E.on mit 39,2 Prozent und RWE mit 30,2 Prozent die größten Pakete. Allerdings ist dieser Aktienbesitz wegen des hohen Sanierungsaufwands nach der Wühlerei unter Tage wertlos. Die Folgekosten bleiben den bisherigen Eigentümern erspart, wenn die RAG an die Börse geht. Der erwartete Verkaufserlös von 5,5 Milliarden Euro soll in eine Stiftung eingebracht werden, die für Probleme mit absackenden Häusern und steigendem Grundwasser aufkommen soll.