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Schichtdienst schädigt Gehirn

Von Alexandra Grass

Wissen
So mancher versucht es mit einem kurzen Nickerchen während des Nachtdienstes.
© corbis/ Peter Ginter

Eine teilweise Erholung tritt laut Forschern erst mindestens fünf Jahre nach dem Arbeitsende ein.


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Toulouse/Wien. Arbeiten, wenn der Rest der Welt schläft, und schlafen, wenn andere mitunter schon ihre Freizeit genießen. Das ist das harte Los von Schichtarbeitern. Dass dies die innere Uhr des Menschen - den sogenannten circadianen Rhythmus - gehörig aus dem Ruder bringen kann, ist bekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass chronischer Jetlag Herz- und so manche Krebserkrankungen begünstigt.

Erst jüngst hat eine Studie gezeigt, dass Schichtarbeit und Jetlag auch die innere Uhr von Darmbakterien aus dem Takt bringen können. Die Folge für den Menschen sind Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht.

Frühzeitige Alterung

Nur sehr wenig bekannt war bisher über einen möglichen Einfluss von unregelmäßigen Arbeitszeiten auf unser Denkorgan. Doch sie lassen unser Gehirn frühzeitig altern und schwächen unsere intellektuellen Fähigkeiten, warnen Wissenschafter der Universität von Toulouse in Frankreich und der Universität von Swansea in Großbritannien in einer aktuellen Studie.

Von einer Verringerung der Gedächtnisleistung und des Denkvermögens betroffen seien vorwiegend Menschen, die mehr als zehn Jahre lang Schichtarbeit leisteten, erklärt Studienleiter Jean-Claude Marquié vom Forschungsinstitut CNRS in Toulouse. Das Gehirn dieser Personengruppe altert den Ergebnissen zufolge im Vergleich zu Normalbeschäftigten um sechseinhalb Jahre schneller.

3000 Franzosen wurden für die Untersuchung in Abständen von fünf Jahren drei Mal auf ihre Gedächtnisleistung, ihre Reaktionsfähigkeit und ihre allgemeinen kognitiven Fähigkeiten getestet. Die Hälfte von ihnen arbeitete im Schichtdienst. Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmer zwischen 32 und 62 Jahre alt.

Zwar sei es möglich, eine gewisse Erholung des Gehirns zu erreichen. Diese Erholungsphase nach dem Ausscheiden aus dem Schichtdienst dauert allerdings mindestens fünf Jahre, betonen die Forscher. Ausgeschlossen davon sei allerdings die Verarbeitungsgeschwindigkeit im Gehirn, die sich laut Studie nicht mehr verbessert.

Ursache unklar

Die Ursache selbst scheint den Wissenschaftern noch nicht ganz klar zu sein. Einerseits verursacht ein unregelmäßiger Rhythmus körperlichen Stress, der als Auslöser für die kognitive Beeinträchtigung gelten könnte. Schichtarbeit führt in vielen Fällen auch zum metabolischen Syndrom, das durch Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht und Diabetes gekennzeichnet ist. Und auch diese Kombination kann unser Denkorgan beeinträchtigen.

Ebenso könnten Menschen im Schichtdienst beziehungsweise Nachtdienst, da sie meistens viel weniger Zeit dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind, unter Vitamin-D-Mangel leiden, was sich wiederum schlecht auf das Gehirn auswirkt. Die Ursache könnte auch in einer Kombination dieser Faktoren liegen.

Doch es gäbe Möglichkeiten, die Auswirkungen auf das Gehirn zu mildern, erklärt der Psychologe Philip Tucker von der Universität von Swansea. "Fixe Arbeitszeitpläne und eine regelmäßige medizinische Betreuung inklusive kognitiver Tests sollten die Grundlage sein, um Warnhinweise des Körpers erkennen zu können", betont der Wissenschafter im "Journal Occupational and Environmental Medicine".

Auswirkungen

Die Studienergebnisse könnten wichtige Auswirkungen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft haben, stellen die Wissenschafter zur Diskussion. Denn immer mehr Jobs würden während der Nacht ausgeübt, was zu einer hohen Gefahrensituation für die Berufstätigen führe.