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Schicksal einer Flügelpartei

Von Walter Hämmerle

Politik

Der Ausgang der aktuellen Krise der FPÖ könnte auch das parlamentarische Überleben der FPÖ in Frage stellen. Damit befindet sich die Partei wieder genau dort, wo sie von Jörg Haider 1986 übernommen worden war. Dazwischen erlebten die Freiheitlichen einen kometenhaften Aufstieg in der Wählergunst samt darauf folgendem Absturz. Grund genug für die "Wiener Zeitung", mit dem Historiker und FPÖ-Kenner Lothar Höbelt über die Bilanz des national-liberalen Lagers in der Zweiten Republik und dessen Zukunftsaussichten zu sprechen.


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Die Kontinuität der drei großen weltanschaulichen Lager Christlichsoziale, Sozialdemokraten und National-Liberale gehört - über alle Brüche hinweg - zu den markanten Besonderheiten des österreichischen politischen Systems. Erste Erosionserscheinungen traten zwar schon in den 70er Jahren auf, rasant verschwommen deren einst scharf markierte Grenzen aber erst in den vergangenen 15 Jahren. Untrennbar mit dieser Entwicklung verbunden ist auch der Aufstieg der Freiheitlichen unter Jörg Haider von der Kleinpartei zur zweitstärksten Kraft im Land und wieder zurück.

Für Höbelt verstand Haider es als erster, seine Kleinpartei für Wähler aus anderen Lagern mithilfe eines von jeglichem ideologischen Ballasts befreiten Populismus attraktiv zu machen. Tatkräftig unterstützt wurde er dabei von den beiden großen Parteien SPÖ und ÖVP, die sich in dieser Phase damit begnügten, einander via Großer Koalition und Sozialpartnerschaft misstrauisch zu belauern und gegenseitig zu blockieren.

Mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000 wurde jedoch die Partei wieder von der Frage ihrer inhaltlichen Ausrichtung eingeholt. Heute droht der Partei auf ihren Ausgangspunkt, die politische Repräsentation des national-liberalen Lagers, zurückgeworfen zu werden. Nur dass dieses seitdem politisch weitgehend marginalisiert worden ist.

Zwei historische Verdienste kann sich die FPÖ, deren Vorläuferpartei "Verband der Unabhängigen" (VdU) 1949 gegründet wurde, laut Höbelt auf die Fahnen heften: Zum einen die Reintegration des nach 1945 belasteten nationalen Lagers in die Republik komplettiert zu haben; zum anderen die ÖVP durch ihre Rolle als rechte Flügelpartei vor einem zu weiten ideologischen Abdriften bewahrt zu haben: "Die FPÖ hat der ÖVP gegen eine Lizitation nach links Zügel angelegt."

Höbelt nennt die notwendige Integration von rund 600.000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern "die große verkannte Leistung der 2. Republik". Um dies relativ reibungslos zu bewerkstelligen, hat es seiner Ansicht nach "einer Partei bedurft, die zwar eine gewisse innere Distanz zu dieser Republik gepflegt, jedoch niemals in eine Fundamentalopposition zu ihr abgedriftet" sei. Eine ähnliche Rolle spiele etwa auch die PDS als Nachfolgepartei der SED bei der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland 1990.

Für Höbelt hat die FPÖ seit ihrer Existenz das Dilemma einer Flügelpartei zu erleiden, die "ideengeschichtliche Erfolge stets mit realpolitischem Misserfolg bezahlt". So habe sich etwa ihr Einsatz für eine liberalere Wirtschaftpolitik in den 50er Jahren wahlpolitisch nicht gelohnt. Der Grund: Die ÖVP hat sich dieses Themas bemächtigt und in der Folge den legendär gewordenen Raab-Kamitz-Kurs etabliert. "Großparteien können sich eben den Erfolg gut schreiben, Kleinparteien wird er dagegen weggenommen - dasselbe ist auch den Grünen mit ihrem Umweltthema passiert." In diesem Sinne müsse man auch die Geschichte der FPÖ seit 1945 sehen, ist Höbelt überzeugt, denn: "Auf diese Weise werden Erfolge wie auch Misserfolge der Partei relativiert."

An der Notwendigkeit von Flügelparteien ändere dies jedoch nichts, würden dadurch doch die beiden Großparteien gezwungen, ihr jeweiliges ideologisches Profil zu schärfen. Zwar habe die ÖVP unter Wolfgang Schüssel viele Themen der freiheitlichen Agenda erfolgreich besetzt, "aber der nächste Erhard Busek kommt bestimmt", gibt Höbelt die Hoffnung auf bessere Zeiten für die Leib- und Magenthemen der FPÖ - Sicherheit und Intergation -nicht auf.

Höbelt sieht auch in Zukunft durchaus einen Platz für die FPÖ im heimischen Parteienspektrum: "In Österreich fehlt eine Kraft, die bürgerlich-liberalen Menschen, die nicht zum klassischen ÖVP-Klientel Wirtschaftsbündler, Beamte und Bauern zählen, ein Angebot zu machen. Bei Themen wie Sicherheit, Zuwanderung oder wirtschaftliche Liberalisierung sei zwar die Zeit einfacher Lösungen nunmehr vorbei, inhaltlich gebe es hier jedoch noch viel zu erledigen, ist Höbelt überzeugt.

Ideengeschichtlich würde es Höbelt gerne sehen, wenn "die deutsch-nationale Gedankenströmung als Diskurselement erhalten" bleibt - diese sei anfangs nicht auf die FPÖ beschränkt gewesen, und in den 90ern, als die FPÖ den Österreich-Patriotismus für sich entdeckte, nicht einmal mehr in dieser vertreten gewesen.