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Schicksale im globalen Massensterben

Von Heiner Boberski

Wissen
Soldatentarock von 1918 auf der Schallaburg, die heuer auch Busanbindung hat.
© Christoph König, Salzburg

Beeindruckend und bedrückend: die Ausstellung über den Ersten Weltkrieg auf der Schallaburg.


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Erst war er ein Waisenkind indigener Herkunft in Australien. Dann wurde der um 1885 geborene Douglas Grant adoptiert und arbeitete nach der Schule als Wollprüfer. Im Jänner 1916 meldete er sich zur Armee, wurde erst abgewiesen, da Aborigines nur mit einem Regierungsbescheid das Land verlassen durften, kämpfte aber dann mit Sondererlaubnis in Frankreich. In deutscher Gefangenschaft wurde er von seinen Mitgefangenen zum Vertrauensmann gewählt und diente deutschen Anthropologen, Ärzten und Künstlern als "Studienobjekt". Nach dem Krieg kehrte er heim, Begünstigungen für seinen Kriegseinsatz blieben ihm wie allen anderen indigenen Australiern verwehrt. Douglas Grant starb unverheiratet im Jahr 1951.

Es ist das große Verdienst der Ausstellung "Jubel & Elend - Leben mit dem Großen Krieg 1914-1918" auf der Schallaburg in Niederösterreich, dass sie sowohl die globale Dimension dieses Massensterbens als auch beispielhaft die Schicksale 15 einzelner Menschen aus verschiedenen Nationen darstellt. Der Älteste, der Autor Karl Kraus, ist bei Kriegsbeginn 40 Jahre alt, die Jüngste, die französische Schülerin Marcelle Lerouge, 13. Der später als "rasender Reporter" berühmt gewordene, in Prag geborene Egon Erwin Kisch gehört dazu, aber auch der amerikanische Kriegsberichterstatter John Reed, der - als Kommunist in den USA zum Hochverräter erklärt - nach Sowjetrussland flüchtete und dort 32-jährig 1919 an Typhus starb.

Zum Titel der Ausstellung trugen wohl die Tagebucheinträge des 18-jährigen deutschen Gymnasiasten Walter Huth bei. Am 5. August 1914, einen Tag nach seinem "Notabitur", brach er von Naumburg mit dem Zug in den Krieg auf und notierte: "Überall wurden wir mit großem Jubel empfangen. Kaffee und Brötchen wurden unter den Reservisten ausgeteilt, kurz die Stimmung der Bevölkerung war großartig." Am 31. Oktober 1914 klingt es schon ganz anders: "Wenn dieses Elend nur bald zu Ende wäre! Ein großes Menschenschlachthaus ist der Krieg, er ist unserer Zeit unwürdig." Huth ist am 22. August 1915 als 19-Jähriger an der Ostfront gefallen.

Die Schau zeigt zunächst eine uns vertraute Welt. Die Wirtschaft ist international bereits sehr verflochten, die Wissenschaft und moderne Kunstrichtungen spielen eine große Rolle. Besonders bedeutsam ist freilich das Militär, Uniformen sind überall präsent; man rechnet mit einem Krieg, der in kurzer Zeit und ohne große eigene Verluste entschieden sein wird.

Die Schau zeigt Waffen und deren furchtbare Wirkung an Menschen. Feldherren werden verklärt, etwa der deutsche Feldmarschall Paul von Hindenburg. Der Alltag an der Front, der Propagandakrieg, die Korrespondenz zwischen Front und Heimat - über all das wird gut informiert. Man kann sich durch Frontverläufe, Truppenbewegungen und Opferzahlen klicken. Die Kämpfe toben bis in die höchsten Bergregionen und in der Luft. Der Krieg bringt Gefangene und Flüchtlinge mit sich, eine Umstellung auf Kriegswirtschaft, Rationierungen im Hinterland. Er stachelt den Patriotismus an, prägt das Kinderspielzeug und Produkte der Unterhaltungskultur. Unruhen und Revolten nehmen zu.

Unter den rund 1000 Exponaten befinden sich 120 Leihgaben, ausgewählt aus 4500 im Rahmen einer Sammelaktion von Privatpersonen angebotenen Objekten. Darunter gibt es eine Wiener Knopfharmonika, die ein Vater und nach dessen Heimkehr mit Verwundung dessen Sohn an die Front mitnahm, und eine Taschenuhr, die einen Schuss abfing und so dem Wiener Korporal August Seyfried das Leben rettete. Zu sehen sind auch ein Huldigungsaltar für das junge Kaiserpaar Karl und Zita von 1917 und eine Browning-Pistole, die einem der Attentäter vom 28. Juni 1914 abgenommen wurde. Wie ein Symbol für den Untergang einer alten Welt wirkt Egon Schieles hier gezeigtes Bild "Die zerfallende Mühle". Er malte es 1916 in Mühling bei Wieselburg, wo es ein Gefangenenlager für russische Offiziere gab.

Die Ausstellung vermittelt beeindruckend und bedrückend Geschichte. Sie stellt das offizielle Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November 1918 nicht als Schlusspunkt dar. Geschichtsschreibung und Literatur gingen mit dem Krieg unterschiedlich um, auch innerhalb der einzelnen Staaten. In Deutschland verboten die Nationalsozialisten 1933 den Bestseller "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque. Nach dem Besuch der Schau liegt der Schluss nahe: Wirklich gelernt aus dem Ersten Weltkrieg haben viele - und vermutlich noch lange nicht alle - erst nach dem Zweiten.

Artstetten zeigt Kaiser Karl

Im nicht weit entfernten Schloss Artstetten, wo Erzherzog Franz Ferdinand lebte und mit seiner Frau Sophie seine letzte Ruhe fand, läuft neben einer Dauerausstellung über den Thronfolger ("Für Herz & Krone") heuer die Sonderschau "Regieren & Verlieren" über Österreichs letzten Kaiser, Karl. Sie betont, dass dieser Habsburger alles tat, um rasch Frieden zu schließen. Prunkstücke der Ausstellung sind die Kopie der ungarischen Stephans-Krone, die Totenmaske und die Krönungsstiefel Karls sowie das Festkleid des damals vierjährigen Kronprinzen Otto bei der Krönung seines Vaters zum König von Ungarn im Dezember 1916.

Schallaburg. Bis 9. November 2014. Täglich 9-17 Uhr; Samstag, Sonn- und Feiertag 9-18 Uhr.
www.schallaburg.at

Schloss Artstetten. Bis 1. November 2014. Täglich 9-17.30 Uhr.

Link: www.schloss-artstetten.at