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Schicksalsherbst am Balkan

Von Carsten Hoffmann

Politik

Die Leiche des gemäßigten kosovo-albanischen Politikers Shaban Manaj war übel zugerichtet. Die Täter hätten ihn ermordet und dann angezündet, sagte ein UNO-Polizist in Pristina. Der Mann aus den Reihen der LDK-Partei von Albaner-Führer Ibrahim Rugova war offenbar am 21. Juli entführt worden, noch bevor er als Bürgermeister der Stadt Klina kandidieren konnte. Manaj blieb nicht das einzige Opfer von Gewalt. Vor den Kommunalwahlen im Kosovo am 28. Oktober gibt es eine Serie von Anschlägen gegen LDK-Politiker.


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"Diese politische Gewalt" gehe von Einzelpersonen und Gruppen aus, die "sich Vorteile erhoffen", erklärte die LDK (Demokratische Liga des Kosovo) dazu am Sonntag in Pristina. Sie wollten "den Status quo erhalten und mit Gewalt auf der politischen Bühne bleiben".

Die politischen Temperaturen im Kosovo steigen wie auch anderswo auf dem Balkan. Südosteuropa steht vor einem ungewöhnlichen Wahlmarathon, der das Schicksal der Menschen auf Jahre bestimmen wird und zugleich die Ecksteine für die Friedensbemühungen des Auslands setzt. Die Parlamentswahlen in Slowenien, Stabilitätsanker am Rande der Region, am 15. Oktober und die Kommunalwahlen in Mazedonien und Albanien versprechen noch politische Routine.

Milosevic knebelt Medien

Doch am 24. September ist Wahltag in Jugoslawien. Der als Kriegsverbrecher angeklagte jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic will mit einer Direktwahl seine Machtbasis erneuern und ihm gefügige Kammern des Bundesparlaments gewählt sehen. Schrittweise geht Milosevic immer schärfer gegen die unabhängigen Medien vor. Am Wahltag will er den Umstand nutzen, dass einige Teile Jugoslawiens die Abstimmung boykottieren werden. So wurden die Wahlkreise aus der unter UNO-Verwaltung stehenden Provinz Kosovo nach Südserbien verlegt. Weil die Albaner sich absehbar nicht beteiligen, können 38 Abgeordnete in der Belgrader Bürgerkammer als sichere Bank für Milosevic gelten. Nach diesem Muster dürfte der Machthaber auch den angekündigten Boykott in Montenegro zu seinem Vorteil nutzen.

Bei den Kommunalwahlen im Kosovo steht eine Richtungsentscheidung zwischen der LDK von Rugova und den politischen Gruppierungen an, die mit der UCK-Miliz den bewaffneten Kampf gegen serbische Vorherrschaft aufgenommen hatten. Politiker dieser Couleur wie Hashim Thaci haben führende Positionen in der UNO-Verwaltung und politischen Gremien eingenommen und sie sind gesuchte Gesprächspartner. Ein Beleg ihrer Popularität steht noch aus.

Allgemeine Wahlen stehen zwei Wochen später in Bosnien-Herzegowina an. Dort werden am 11. November die Parlamente des Gesamtstaates, der bosnischen Serben-Republik sowie der moslemisch-kroatischen Föderation gewählt. Auch ein neuer Präsident der Serben-Republik steht zur Wahl.