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Schicksalstag im Atomstreit

Von Arian Faal

Politik

Im Falle eines Scheiterns droht israelischer Militärschlag.


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Bagdad/Wien. In Bagdad steht im jahrelangen Atomstreit mit dem Iran am heutigen Mittwoch ein Schicksalstag bevor: Vertreter der fünf UN-Vetomächte (Russland, USA, Frankreich, China und Großbritannien) sowie Deutschlands wollen mit den Persern umstrittene Fragen der Urananreicherung und der Transparenz des Nuklearprogramms erneut erörtern. Im Raum steht der angebliche US-Kompromissvorschlag, Teheran die Anreicherung von Uran auf bis zu fünf Prozent zu erlauben. Ob und zu welchen Bedingungen diese Idee realisiert werden kann, ist allerdings noch offen. Ein Kompromiss ist möglich.

Nicht zuletzt geht es bei den Verhandlungen um die Verpflichtung des schiitischen Gottesstaates, sämtliche geforderte Kontrollen der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zu gewähren und Transparenz zu demonstrieren. Im Fokus des westlichen Interesses ist die vor allem Militäranlage in Parchin südöstlich von Teheran. Hier wurde den IAEO-Kontrolleuren im Januar und Februar der Zugang verweigert. Die Befürchtung: Möglicherweise wurden dort Tests mit Atomsprengköpfen simuliert.

Die Annahme des Westens, dass der Iran seine Fähigkeit zur Anreicherung von Uran zum Bau von Atombomben nutzen könnte, geistert seit Jahren ohnehin wie ein Schreckgespenst durch die Medienlandschaft. Das Angebot von einer Anreicherung auf fünf Prozent würde für den Bau einer Bombe nicht reichen und somit für den Westen akzeptabel sein, so Experten.

Für die iranische Führung selbst ist der Atomwaffensperrvertrag die Grundlage der Gespräche in Bagdad, wobei die 5+1-Gruppe das Recht des Iran auf friedliche Nutzung der Atomenergie vollständig achten solle.

Hauptziel ist Lockerung der Sanktionsschraube

Hinzu kommt das Damoklesschwert der westlichen Sanktionen. Längst geht es nicht mehr um technische Details und chemische Formeln. Es geht um verlorenes Vertrauen, das in tiefes Misstrauen umgeschlagen ist - und in eine Sanktionsschraube gegen den schiitischen Gottesstaat, an der in den vergangenen Jahren immer fester gedreht wurde: vor allem seit Jahresbeginn, als mit dem EU-Beschluss eines Importverbots für iranisches Öl ab Juli die Achillesferse der iranischen Wirtschaft getroffen wurde. Daher ist es das Hauptziel der Perser, die Europäer mit milden Taten und gutem Willen davon zu überzeugen, die Sanktionsschraube wieder zu lockern.

Die Dimension des Konflikts erweitert sich auch durch andere Aspekte. Seit Israel immer wieder droht, auch eigenständige Angriffe auf iranische Atomanlagen durchzuführen, steigt die Nervosität. Nachsatz: Wenn bei den Gesprächen in Bagdad, wo die 5+1 Gruppe die letzten diplomatischen Bemühungen startet, kein für Israel zufriedenstellendes Ergebnis, sprich kein Stopp der iranischen Urananreicherung, zustande kommt, steht "Plan B" bereit. Fazit: Israel lehnt den US-Kompromiss mit einer Anreicherung von fünf Prozent von vornherein ab. Das wiederum beunruhigt vor allem die Europäer, die die unabsehbaren Konsequenzen eines Militärschlags gegen den Iran fürchten.

IAEO-Kontrollen: Einigung zeichnet sich ab

Zusammengefasst wird also über zwei konträre Ansätze verhandelt. Zuerst Stopp der Sanktionen, dann schärfere Kontrollen, wie dies der Iran fordert. Oder erst Kontrollen, dann Sanktionsstopp, wie sich der Westen das vorstellt.

Trotz der Kontroversen ist die Stimmung vor dem Treffen äußerst positiv. IAEO-Chef Yukiya Amano erklärte nach seiner Rückkehr aus Teheran in Wien am Dienstag, der Iran habe eine Untersuchung des umstrittenen Atomprogramms zugesagt. Einige "kleinere Meinungsverschiedenheiten" müssten allerdings noch geklärt werden, aber man sehe, dass Bewegung in die Sache komme. Amano war mit einer Delegation am Montag zu Gesprächen in Teheran gewesen und hatte sich mit mehreren hochrangigen iranischen Politikern zu einem Austausch getroffen, darunter mit Atom-Chefverhandler Saeed Jalili.

"Wir sehen seit April konkrete Fortschritte und das lässt uns hoffen, zeigte sich auch ein europäischer Diplomat gegenüber der "Wiener Zeitung" optimistisch. "Die IAEO und der Iran haben sich auf neue Modalitäten hinsichtlich der Kontrollen des Atomprogamms geeinigt und schon bald erwarten wir eine verbindliche schriftliche Vereinbarung".

Das heutige Treffen war bei der vorangegangenen Verhandlungsrunde Mitte April in Istanbul vereinbart worden. Ob der Iran den IAEO-Kontrolleuren diesmal tatsächlich weitreichende Möglichkeiten einräumt oder wieder einmal auf Zeit spielt, wird sich weisen. Die Luft für die Perser wird jedenfalls dünner.