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Schicksalstage in Rot

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bisher war es so, dass es nicht nur, aber doch vor allem bürgerliche und konservative Regierungen waren, welche die Schuldenländer beim weiteren Schuldenmachen mit Argusaugen beobachteten. Das tut auch die Sozialdemokratie - und das, obwohl manche hier eine gewisse Grundsympathie für die Idee hegen, dass sogar überschuldete Staaten ihre darbende Konjunktur durch noch höhere Schulden beleben.

Diese da und dort bestehende Grundsympathie ist einigermaßen riskant für die Sozialdemokratie. Und zwar aus nacktem politischen Überlebenstrieb.

Warum, das lässt sich mithilfe eines kleinen Gedankenexperiments am Beispiel Italiens gut verdeutlichen. Die rechten und linken Populisten, die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung, wurden von der Wut und Enttäuschung vieler Bürger in die Regierung gespült. Eine wesentliche Rolle haben dabei die ungelösten Probleme der Massenmigration und die Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs seit dem Ausbruch der Euro- und Schuldenkrise gespielt. Beides sind Themen, die in Kombination viele Wähler ansprechen, die einstmals ihr Kreuz bei sozialdemokratischen Parteien gemacht haben.

Ihr harter Anti-Migrationskurs hat der italienischen Regierung bereits - aller europäischen Kritik zum Trotz - einen erstaunlichen Höhenflug in den Umfragen beschert. Nun machen sich Lega und Fünf Sterne an die Umsetzung ihrer üppigen Sozialversprechen:
780 Euro Mindestsicherung, ein früheres Pensionseintrittsalter und höhere Mindestpensionen sowie weitere Goodies für Selbständige, Banken und Familien. Von den Budgetvorgaben der EU ist dieses italienische Budget so weit entfernt wie die Erde von der Sonne.

Sollte die national-links-populistische Regierung in Rom mit ihren Plänen durchkommen - und sollten die Euroländer durch üppige Hilfestellungen nicht zuletzt der EZB eine neue Finanzkrise verhindern -, dann könnte daraus der womöglich endgültige Todesstoß für die Idee einer Sozialdemokratie als Stabilitätsanker in Europa resultieren. Warum sollte dann auch noch jemand für eine verantwortungsvolle Mitte-links-Politik stimmen, die akzeptiert, dass kein Staat auf Dauer mehr Wohlstand konsumieren kann, als er selbst zu schaffen imstande ist, wenn es auch ganz anders geht? Und die politische Konkurrenz das auch vorzeigt, etwa in Italien?

Vielleicht treiben EU-Finanz- und Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici ganz ähnliche Gedanken um, wenn er per Brief Änderungen in Italiens Budgetplänen einfordert. Der Sozialdemokrat weiß womöglich am besten, was hier auf dem Spiel steht. Auch und gerade für seine Bewegung.