Zum Hauptinhalt springen

Schienenkartell verhagelt Bilanz

Von Karl Leban

Wirtschaft

Im Krisenland Spanien sind derzeit | 200 Beschäftigte auf Kurzarbeit gesetzt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien.

Die Voestalpine musste im dritten Quartal des Vorjahres einen Verlust verbuchen.
© voestalpine

Teure Rückstellungen haben der börsenotierten Voestalpine die Bilanz verhagelt. Mit mehr als zwölf Milliarden Euro konnte der österreichische Stahlverarbeitungskonzern 2011/12 (per Ende März) zwar einen Rekordumsatz einfahren. Doch der operative Gewinn fiel mit rund 704 Millionen Euro um 28,5 Prozent deutlich schwächer aus.

Der Hauptgrund für das stark geschmälerte Ergebnis vor Zinsen und Steuern: Die Voestler mussten vorsorglich Geld zur Seite legen - alles in allem 205 Millionen Euro. Die Summe umfasst zum einen die Kosten für die Schließung eines maroden Schienenwerks in Duisburg. Zum anderen sollen damit Schadenersatzforderungen in der leidigen Causa Schienenkartell beglichen werden.

Wie berichtet wird zwei Voest-Firmen und einer Reihe anderer Anbieter vorgeworfen, von 1998 bis 2008 am deutschen Schienenmarkt unerlaubt die Preise abgesprochen zu haben. Damit soll vor allem die Deutsche Bahn geschädigt worden sein.

Derzeit ist das Kartellverfahren noch im Laufen. Mit einem Urteil rechnet Voest-Chef Wolfgang Eder "im Verlauf dieses Jahres", wie er am Mittwoch in der Bilanzpressekonferenz sagte. Die Voest hat in dem Fall den Stein nach eigenem Bekunden ins Rollen gebracht und beansprucht daher den Kronzeugenstatus, der - sofern er vom Gericht anerkannt wird - vor einer Kartellstrafe schützen kann. Gegen Klagen auf Schadenersatz ist der Konzern freilich nicht gefeit. Mit den jüngsten Rückstellungen ist das Thema Schienenkartell für Eder jedoch "ein für alle Mal abgehakt".

Ein vorsichtiger Ausblick

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet der Voestalpine-Boss einen operativen Gewinn von rund 900 Millionen Euro. Dies würde ungefähr dem um die Rückstellungen bereinigten Vorjahresergebnis entsprechen.

In Europa, dem weitaus größten Markt des Linzer Konzerns, sieht Eder im Moment eine "zunehmende Nachfrageschwäche". Die habe inzwischen auch Teile der Autoindustrie und des Energiesektors erfasst. Die anhaltend zufriedenstellende Konjunktur in Bereichen wie Maschinenbau oder Luftfahrt könne diese Entwicklung nicht wettmachen, so Eder.

Nicht zuletzt wegen der Staatsschuldenkrise und der mittlerweile abermals aufgekeimten Kapitalmarktskepsis sei die konjunkturelle Großwetterlage labil und unsicher. "Damit werden wir noch mindestens zwei bis drei Jahre leben müssen", ist Eder überzeugt. "Lösungen werden, so sie kommen, Zeit beanspruchen."

Den Sparkurs der öffentlichen Hand im EU-Raum spürt die Voest derzeit vor allem im Krisenland Spanien - und da im Geschäft mit Schienen und Weichen. In einem Werk bei Gijón sind deshalb 200 der 250 Beschäftigten bis auf Weiteres auf Kurzarbeit gesetzt. Abgesehen von Duisburg kommt es für Eder dort aber ebensowenig wie an anderen europäischen Produktionsstandorten in Frage, die Pforten dicht zu machen: "Eindeutig nein, wir haben keine weiteren Pläne für Werksschließungen."

Boomregionen im Fokus

"Was wir in Österreich und Europa haben, wollen wir - so lange es geht - halten und weiterentwickeln", so Eder. "Wir werden aber sicher nicht größere Investitionen in den Ausbau der Mengen tätigen. Das Mengenwachstum wird woanders passieren."

Eders Ziel für die nächsten drei bis vier Jahre: den Umsatzanteil außerhalb Europas von 28 auf 40 Prozent zu hebeln. Dazu soll vor allem in den Boomregionen Südamerikas und Südostasiens investiert werden. Die Voest (46.500 Mitarbeiter) hatte zuletzt weltweit 360 Standorte in 60 Ländern.