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Schimpfen lernen von den Besten

Von Christina Böck

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"Wenn ich einen Rat an junge Mädchen und Frauen hätte, dann den: Mädels, lest keine Bücher, die Männer geschrieben haben. Lest sie nicht. Macht einen Bogen um sie. Oder lest sie zumindest erst, wenn ihr schon älter seid und bereit seid für die Schlacht. Wenn ihr bereit seid, es mit jemandem aufzunehmen, der unhöflich zu euch ist. Und zwar in einem Gespräch und nicht in stumm ertragener Peinlichkeit und stillem, in sich gekehrtem Zorn. Sondern mit einem ruhigen ,Fuck you very much‘."

Diesen Rat hat die britische Autorin Caitlin Moran diese Woche jungen Frauen gegeben.

In einem Text für den Verlag Penguin berichtet sie von ihrer eigenen Lektüre-Laufbahn. Sie sei froh, fernab von Literaturkanons aufgewachsen zu sein, denn so habe sie in ihrer Jugend nur Bücher von Frauen gelesen. Erst später habe sie auch zu Literatur von Männern gegriffen, und diese habe ihr "Herz auf den ersten Seiten gebrochen". Die Britin ist normalerweise bekannt für einen erfrischend bodenständigen Zugang zum Feminismus. Das ist bei diesem Text leider gründlich schiefgegangen. Jungen Frauen zu empfehlen, sie sollen um geschätzte 80 Prozent der Weltliteratur einen Bogen machen, ist nicht feministisch, es ist ignorant. Tunnelblick statt Allgemeinbildung ist die bedenkliche Devise. Man wird niemals auf Augenhöhe mit Männern agieren können, wenn man ihre Weltsicht nicht einmal - und sei es nur durch die Augen von Hemingway und Faulkner - kennengelernt hat. Und den feinsinnigen Gruß, den Moran hören will, kann man sich gerade bei männlichen Schriftstellern trefflich abschauen.