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Schlächter will die Macht zurück

Von Wolfgang Tucek

Politik

Die Präsidentenwahlen in Guatemala werden von der Kandidatur des Ex-Diktators Efrain Rios Montt überschattet, der Anfang der 80er Jahre eines der blutigsten Schreckensregime Lateinamerikas führte. Dem immer noch sehr einflussreichen Ex-General werden zwar wenig Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt, doch allein sein Antreten lässt Kritiker am guatemaltekischen Rechtssystem zweifeln. Analysten erwarten, dass sich kein Kandidat beim ersten Wahlgang durchsetzen wird und daher Stichwahlen am 28. Dezember stattfinden werden.


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Die guatemaltekischen Präsidentenwahlen am Sonntag geben auch im Ausland Anlass zur Sorge. Der Grund dafür ist die Wiederkandidatur des pensionierten Generals Efrain Rios Montt. Der frühere Diktator, der im März 1982 durch einen Staatsstreich in dem mittelamerikanischen Land an die Macht kam und im August 1983 von rivalisierenden Militärs wegen "Unzurechnungsfähigkeit" abgesetzt wurde, hatte in seiner 17-monatigen Amtszeit im Sinne seiner "Politik der verbrannten Erde" ein bizarres Schreckensregime geführt, das zehntausende Menschen das Leben gekostet hatte. Seine Chancen von den rund fünf Millionen Guatemalteken als Nachfolger von Präsident Alfonso Antonio Portillo Cabrera gewählt zu werden sind laut einer Umfrage zwar gering, der immer noch beträchtliche Einfluss des Generals auf Armee und Paramilitärs lässt das Land jedoch vor dem Wahltag zittern.

Der im Dezember 1999 gewählte Präsident Portillo war damals als Spitzenkandidat der Republikanischen Guatemaltekischen Front (FRG) ins Rennen gegangen - jener rechtspopulistischen Partei, die von Rios Montt gegründet wurde, deren graue Eminenz er ist, und für die er am Sonntag kandidiert. Und die parteiische Zusammensetzung des Verfassungsgerichts unter Portillo hat das Antreten des Ex-Diktators überhaupt erst möglich gemacht. Da die guatemaltekische Verfassung ehemaligen Putschisten das passive Wahlrecht für Präsidentenwahlen aberkennt, wurde Rios Montts Antreten bisher immer unterbunden. Erst unter Portillo kamen die Verfassungsrichter dann zu dem Schluss, dass das Verbot für Rios Montt nicht gelte, da die Verfassung Guatemalas erst nach dessen Herrschaft verabschiedet wurde.

Menschenrechtsgruppen und die guatemaltekische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, protestieren heftig gegen den Entscheid. Weder Appelle, dass sich an der "zwanghaften Neurose", die seinerzeit zur Entmachtung geführt hatten, noch der Verweis auf ein Verfahren gegen Rios Montt wegen Völkermord im eigenen Land konnten etwas ändern. Vor der Strafverfolgung schützt den greisen Mann derzeit seine Immunität als Abgeordneter im Parlament.

Blutiges Schreckensregime

Unter Zurechtbiegung des guatemaltekischen Rechtssystem versucht sich mit Rios Montt ein Mann durch Wahlen an die Spitze des Landes hieven zu lassen, unter dessen Militärregime von März 1982 bis August 1983 Menschenrechtsorganisationen zufolge 17.000 Oppositionelle und solche, die dafür gehalten wurden, einen gewaltsamen Tod fanden. Vertreibung, Folter, Mord und die Verfolgung der indianischen Bevölkerung - in Guatemalas seit 1960 tobenden Bürgerkrieg ohnehin auf der Tagesordnung - fanden in Rios Montts Terror-Herrschaft ihren Höhepunkt. Hunderte Dörfer, deren Einwohner der Zusammenarbeit mit der linken Guerilla verdächtig waren, wurden gemäß seiner "Politik der verbrannten Erde" dem Erdboden gleichgemacht, die Bewohner abgeschlachtet. Die nach dem Ende des Bürgerkriegs mit den Friedensverträgen vom Dezember 1996 eingesetzte Wahrheitskommission kam für die Generäle zu einem vernichtenden Ergebnis. 93 Prozent aller während des Bürgerkrieges verübten Massaker - die Toten und Verschwundenen werden auf rund 200.000 beziffert - gingen demnach auf das Konto von Militärs und Paramilitärs, etwa die Hälfte davon fiel in die Zeit von Rios Montt.

Umfragen gegen Rios Montt

Nach Umfragen des Instituts Cid-Gallup liegt der 77-jährige Rios Montt auch nur abgeschlagen mit 13 Prozent auf dem dritten Platz. Auf Platz eins rangiert der frühere Bürgermeister der Hauptstadt, Oscar Berger Perdomo, Kandidat der Großen Nationalen Allianz (GANA), dem 47 Prozent vorausgesagt wurden. An zweiter Stelle folgt der Textilunternehmer Alvaro Colom Caballeros von der Mitte-Rechts-Partei der Revolutionären Nationalen Einheit (URNG) mit 23 Prozent. Aber die Cid-Gallup-Umfrage stützt sich nur auf ein Sample von 1.200 Personen, und die Kandidaten selber glauben ihr ebenso wenig, wie die meisten Guatemalteken. "Die einzige Umfrage die zählt, ist die an den Urnen, und die werde ich gewinnen", drohte der Ex-Diktator unverblümt.

Gewiss, Rios Montt genießt eine gewisse Popularität. Seine Anhänger sagen, er habe für Sicherheit gesorgt, die linke Guerilla entscheidend geschwächt und das Land vor dem Kommunismus gerettet. Mehr als sein Rückhalt in der Bevölkerung könnte aber zum Tragen kommen, dass die ihn noch immer verbundenen Paramilitärs die Bevölkerung, vor allem in den ländlichen Gebieten, massiv einschüchtern werden um sie zur Abstimmung für den General a. D. zu bewegen. Auch das Militär steht zu großen Teilen hinter Rios Montt, was nicht weiter verwundert, da sein Sohn, General Enrique Rios, der Stabschef der guatemaltekischen Armee ist. Bevor also ein Gegner des alten Mannes die Staatsspitze übernimmt, und ihn hinter Gitter sperrt, wäre auch das schon überwunden geglaubte Instrument des Militärputsches noch eine nicht unmögliche Schreckensvision für Guatemala.

Obwohl Wirtschaft und Mittelstand massiv vor Rios Montt warnen, liegen der Ausgang der Wahl und die Folgen des Ergebnisses im Schatten.