Anfang 30, beruflich erfolgreich - und im Stress. Die langen Arbeitstage, der Druck, das Unterwegssein fordern ihren Tribut und verfolgen die Juristin Heike rund um die Uhr. Schlaflosen Nächten folgt die Angst vor dem Abend, die Panik, wieder nicht schlafen zu können. Prompt liegt Heike wieder wach.
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"Aber der Teufelskreis lässt sich durchbrechen", sagt Jürgen Zulley vom Schlafmedizinischen Zentrum der Universität Regensburg, "schlafen kann man wieder lernen." Hilfestellungen dazu gibt Zulley in Wochen- und Wochenendseminaren - seinen "Schlafschulen".
An erster Stelle stehen Informationen über gesunden und erholsamen sowie über gestörten Schlaf. "Es gibt so viele Missverständnisse und falsche Vorstellungen über den Schlaf", sagt Zulley. "Allein die aufzuklären, kann chronischen Störungen vorbeugen." Wer weiß, dass nicht unbedingt die Schlafdauer, sondern die Qualität entscheidend ist, steht weniger unter Druck, die Nacht durchschlafen zu müssen - und mit der Entspannung steigt schließlich die Wahrscheinlichkeit einzuschlafen. Wer weiß, dass wiederholtes Aufwachen normal ist, kann sich beruhigter wieder auf die Seite drehen und weiterschlafen.
Entspannung durchbricht Teufelskreis
Das Wissen allein kann die Panik aber nicht immer besiegen. "Der Körper hat die Schlafstörung ja bereits gelernt", erklärt Zulley. Seine Schlafschule setzt daher auch auf Ablenkungstechniken und geht auf Ursachenforschung, Entspannung und Schlafhygiene ein. "Ich muss in die Entspannung kommen, um den Teufelskreis durchbrechen zu können." Unter Umständen - und unter ärztlicher Anleitung - könne auch der kurzfristige Einsatz von Schlafmitteln beim Durchbrechen des Kreislaufes helfen. Manchmal sei auch eine Psychotherapie angeraten, die auf eine Änderung des Verhaltens und der Einstellung ziele.
Oft aber können schon die Beachtung einfacher Verhaltensregeln und möglicherweise nur geringfügige Veränderungen im Alltag den ersehnten Schlaf zurückbringen. "Schlafhygiene ist nichts Spektakuläres und Sensationelles", sagt Zulley. Zu den Tipps für den gesunden Schlaf meint er: "Nichts davon alleine garantiert den guten Schlaf, da spielen viele Faktoren zusammen. Aber Sie können sich ihr eigenes Puzzle zusammensetzen", rät er den Betroffenen.
Zu den Puzzlestücken gehören scheinbare Selbstverständlichkeiten wie ein ruhiges Schlafzimmer, nachmittags und abends keinen Kaffee mehr trinken sowie ausreichend, aber nicht zu spät zu Abend essen. Zu regelmäßigen Zeiten ins Bett gehen und aufstehen, möglichst feste Zeiten fürs Essen und ausreichend Bewegung im Lauf des Tages fördern den Schlaf. Eine Seminarteilnehmerin habe ihm einmal erklärt, sie müsse sich tagsüber schonen, wenn sie schon nachts nicht schlafen könne, berichtet Zulley. Das sei aber genau die falsche Reaktion. Wichtig sei der richtige Ausgleich zwischen körperlicher Ruhe und Aktivität.
Schlafzimmer kühl,
das Bett warm
Das Schlafzimmer muss kühl sein, das Bett aber warm. Die richtige Matratze und ein geeignetes Kissen gehören natürlich auch dazu. Helfen aber auch alle Äußerlichkeiten nicht, sollten die Betroffenen es mit Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken sowie Einschlafritualen versuchen. "Wir müssen den Körper auf die Ruhe vorbereiten", erklärt Zulley. Lesen, Musik hören, eine heiße Schokolade trinken können solche Entspannungssignale an den Körper sein.
Von heute auf morgen funktioniere dies allerdings nicht. "Ein bisschen Zeit müssen Sie sich schon geben", rät der Schlafforscher den Seminarbesuchern. "Sie haben ja lange genug auf Ihre Schlafstörungen hingearbeitet." Ein paar Wochen dauere es mindestens, bis der Körper verlernt, das Zu-Bett-Gehen mit negativen Reaktionen und Anspannung in Verbindung zu bringen.
Ziel ist es, nicht mehr mit dem belastenden Gedanken ins Bett zu gehen "ich muss jetzt schlafen", sondern den Körper auf Entspannung zu polen. Die anspannende Fixierung auf den Schlaf wird so überwunden. Bei Heike rät Zulley, auch im Tagesablauf anzusetzen. "Sie überdrehen Ihren Motor ja ständig", warnt der Mediziner die junge Frau. Schon mehr Pausen im Arbeitsalltag und Entspannungstechniken könnten beim Weg zurück zum erholsamen Schlaf helfen.
"Besonders wichtig war für mich die Erkenntnis, dass der Mensch auch leistungsfähig ist, wenn es einmal Nächte mit wenig oder unruhigem Schlaf gibt", nimmt Heike für sich mit. "Auch waren die Hintergründe zur erforderlichen Schlafdauer sehr interessant. Die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, dass man nicht immer acht Stunden tief und fest schlafen muss, um ein "normaler" Mensch zu sein, schafft Ruhe und nimmt sehr viel Angst."