Studie offenbart triste Situation minderjähriger Flüchtlinge.
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Wien. "Ich habe nichts zu tun, außer Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Sonst die ganze Zeit schlafen und auf einen Bescheid warten." Schlafen, essen, schlafen - für einen durchschnittlichen Jugendlichen, der sich jeden Tag widerwillig in die Schule quält und lieber zu Hause herumgammeln würde, mag diese Schilderung geradezu paradiesisch klingen. Doch jene tausenden Jugendlichen, die derzeit in Österreich zum Nichtstun gezwungen sind, haben kein Zuhause.
Von Jänner bis November 2015 kamen knapp 8500 Personen unter 18 Jahren ohne Begleitung eines Erwachsenen als Asylsuchende nach Österreich, 500 von ihnen waren jünger als 14 Jahre. Eigentlich genießen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) besonderen Schutz und werden besser betreut als Erwachsene. Eigentlich. Denn das System ist auch hier gnadenlos überfordert. Bereits im Sommer hatte Volksanwalt Günther Kräuter scharfe Kritik an der Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge geübt.
Doch geändert hat sich seit damals nicht viel, wie der eingangs zitierte Satz zeigt. Er stammt aus einer aktuellen Ifes-Studie im Auftrag der Bundesjugendvertretung. Im Rahmen der nicht-repräsentativen Untersuchung wurden 66 junge Asylwerber aus Ostösterreich zu ihrer Lebenssituation befragt. Deutlich zeigte sich, dass es jenen, die in großen Zentren wie der Erstaufnahmestelle Traiskirchen untergebracht sind, oft am Nötigsten fehlt: Kochgelegenheit, Waschmaschinen, Möglichkeiten, mit der Familie zu kommunizieren. In den großen Einrichtungen lebt mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Zimmern mit sieben und mehr Mitbewohnern. Mehr als die Hälfte besucht keine Ausbildung, immerhin fast die Hälfte einen Deutschkurs.
Bruch der Kinderrechte
Die größten Probleme sind fehlende Tagesstruktur und zu wenig Kontakt zu Österreichern. Die Vorsitzende der Bundesjugendvertretung, Laura Schoch, wirft der Regierung Verfassungsbruch vor, denn die dort verankerten Kinderrechte "gelten für alle".
Diakonie-Direktor Michael Chalupka erläutert das zugrunde liegende Dilemma: Zwar wurde erst vor kurzem der Tagsatz, den die Organisationen für die Betreuung der jugendlichen Flüchtlinge erhalten, von höchstens 75 auf 90 Euro angehoben. Jedoch handle es sich hier um einen Höchsttagsatz, den kaum ein Bundesland auch wirklich ausschütte. Während diese Summe immer noch weit unter dem Mindestbetrag für ein österreichisches Kind in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung liegt, sind die Voraussetzungen für die Betreuung die gleichen. Etwa muss eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung gewährleistet sein. Daher ist es schwierig, Grundversorgungseinrichtungen für Jugendliche einzurichten - wodurch viele von ihnen in Traiskirchen "hängen" bleiben. Derzeit warten dort 1100 Jugendliche auf die umstrittene Altersfestellung oder einen Platz in der Grundversorgung.
Die Untätigkeit der Jugendlichen sei aber auch eine vergebene Chance, sagt Chalupka. Denn mit Blick auf ihre Hauptherkunftsländer - Afghanistan und Syrien - wird der Großteil von ihnen hierbleiben. "Wir müssen jedes Interesse daran haben, die Jugendlichen in einer Phase zu integrieren, wo das noch gut möglich ist", sagt Chalupka. Eine Möglichkeit dazu sind Buddy-Programme: Österreicher erklären sich bereit, Patenschaften für UMF zu übernehmen, treffen sich mit ihnen, begleiten sie zu Behörden, lernen mit ihnen Deutsch. Die Diakonie arbeitet mit "Connecting People" zusammen. Die Caritas startet gerade das Projekt "Commit", für das noch Menschen über 21 Jahre gesucht werden, die sich einmal in der Woche Zeit für einen Jugendlichen nehmen können.
Patenschaften für UMF in Wien:
www.connectingpeople.at
Caritas "Commit" ist unter commit@caritas-wien.at erreichbar.