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Schlaflos in Kopenhagen für einen Kompromiss

Von Claudia Peintner

Analysen
Nachgrübeln - nach dem Gipfel in Kopenhagen. Foto: reu

Selten verlief ein Klimagipfel ohne Zockerei. Lange vorher werden die Aussichten hochgeschraubt, um klarzumachen, dass jeder sich seiner Verantwortung für den Planeten bewusst sein soll. Je näher das Ende rückt, desto mehr werden die Erwartungen gedrosselt.


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Mit Ärmel-hoch-Parolen müssen dann die Weltenlenker anrücken, um die Kohle aus dem Feuer zu hohlen. Übernächtigt, aber zufrieden werden sie sich einen Erfolg zurechtreden. Die Skeptiker in der Außenwelt werden die Nachricht mit Katzenjammer aufnehmen. Mit der Erkenntnis: Eigeninteressen und Egoismen standen vor dem Klimaschutz. Fakt ist, die Verhandler haben keinen rechtsverbindlichen Klimavertrag zustande gebracht: Kopenhagen ist ein Übergangsschritt.

Der Versuch, eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls bis 2020 auszuverhandeln, war eine wichtige entgegenkommende Geste gegenüber den Entwicklungsländern. Die Chance auf eine Einigung war jedoch minimal. Amerika hätte seine Unterschrift darauf nicht gesetzt, weil Wirtschaftsrivale China keine gleichartigen Verpflichtung eingeht. Für eine derartige Aktion ohne das Mitgehen des aufstrebenden Schwellenlandes hätte Obama im US-Senat wohl erst recht keine Rückendeckung bekommen. Denn hinter den Kulissen geht es weniger um den Schutz von Pflanzen, Meeren & Co., sondern um die Angst vor Einbußen bei Jobs, Geldsummen und Wettbewerbsstärke.

Eine politische Erklärung aller 193 Teilnehmer-Länder - mit freiwilligen Verpflichtungen, aber ohne konkrete Zahlen - wäre hingegen nur eine Einigung auf das kleinste gemeinsame Ziel. Eine Quintessenz, die es großteils ohnehin bereits in den Schlussdokumenten der UN-Weltklimakonferenz von Bali 2007 gab: Von der 2-Grad-Messlatte bis hin zum CO2-Reduktionsziel von 25 bis 40 Prozent für alle Industriestaaten bis 2020. Neu wären lediglich die Ausgleichszahlungen an ärmere Länder sowie das Vorhaben, künftig auch den Treibhausgassünder Schiff- und Flugverkehr zu sanktionieren.

Kein großer Wurf, aber zumindest ein Teil-Erfolg wäre freilich, wenn der politische Beschluss zumindest einen Fahrplan für die Zukunft enthielte. In der Erklärung müsste festgehalten werden, dass die Teilnehmer im Jahr 2010 ein rechtsverbindliches Abkommen abschließen. Das würde es den Vereinigten Staaten und anderen Ländern ermöglichen, die notwendigen Gesetze zu verabschieden. China bekäme die Chance, sich in der Umsetzung seiner durchaus ambitionierten Umweltprojekte einen internationalen Vertrauensvorschuss zu holen. Das Ringen um die Zukunft des Planeten ginge damit in die Verlängerung.

Dass es bei der Kopenhagener Mammutveranstaltung - wohlgemerkt nach jahrelangen Vorgesprächen - nicht zu mehr reichte, ist enttäuschend. Verflogen ist die Vision, die UN-Klimachef Yvo de Boer vor dem Gipfel entworfen hat: Es gab keinen "Weihnachtskuchen, auf dem am Ende der Konferenz die Kerzen brennen."

Dennoch: Es ist keine Kinderjause, die Weltgemeinschaft an einem Tisch zu einer Einigung zu bringen. Das funktionierte beim Ausbruch der globalen Finanzkrise, als innerhalb einer Nacht Milliarden Stützungsgelder flossen. Doch es funktioniert noch nicht bei der Zügelung des Klimawandels. Der Unterschied: Die Welt weiß sehr wohl um die schweren Wunden, die die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren geschlagen hat. Geht es allerdings um das Klima, hat die Menschheit keine derartige gemeinsame Leiderfahrung gemacht.

Eine politische Erklärung ist darüber hinaus allemal effizienter als ein neues Protokoll, das ungenügende Ziele und Schlupflöcher - wie es bei Kyoto der Fall war - beinhaltet. Ein substanzloser verbindlicher Vertrag wäre wohlgemerkt bis 2020 gültig und daher gefährlicher als russisches Roulette. Die Welt würde dem Klimawandel weit hinterher humpeln.