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Schlag gegen Neonazi-Szene

Von Bettina Figl

Politik

Reger Waffen- und Drogenhandel, Raubüberfälle und Brandanschläge.


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Wien/Linz. Es sind Szenen wie in einem Gangsterfilm: Neonazis entführten einen Bordellbesitzer und misshandelten ihn mit einer Flex; sie steckten Bordelle und Autos in Oberösterreich (Bezirk Kirchdorf) in Brand und zündeten eine Sauna in Wien an. Gesamtschaden: rund 2,9 Millionen Euro. Die Liste der kriminellen Machenschaften lässt sich fortsetzen: Raubüberfälle, Internetbetrügereien, illegale Prostitution und mindestens 23 Einbrüche gehen auf das Konto von "Objekt 21", jenes Neonazi-Rings, den die Polizei nun zerschlagen hat.

Mindestens 200 oberösterreichische Neonazis sollen ihm angehören, im Bezirk Vöcklabruck und Ried wurden mehr als 80 Personen einvernommen und 24 Verdächtigte verhaftet. Zehn Männer befinden sich nach wie vor in U-Haft, sie sind laut Landespolizei Oberösterreich zwischen 25 und 50 Jahre alt und kommen aus Grieskirchen, Ried, Vöcklabruck, Braunau und Linz. Auf anonyme Hinweise hatte die Polizei eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und schließlich die "Soko Objekt 21". Es folgten Telefonauswertungen, Hausdurchsuchungen und Observationen. Die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen.

Dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) ist das "Objekt 21" seit 2005 bekannt. Laut DÖW-Experte Andi Peham ist es aus dem "Blood & Honor"-Umfeld entstanden. Ihr Hauptquartier befand sich in Desselbrunn, Bezirk Vöcklabruck, wo einschlägige Liederabende stattfanden. Bei Hausdurchsuchungen fand die Polizei zahlreiche Fahnen und Schriften mit NS-Symbolen, aber auch zehn Kilo Sprengstoff, illegale Pistolen, Revolver und Munition.

Ruzowitzky-Vater war ahnungsloser Vermieter

Hauseigentümer ist just der Vater von Regisseur Stefan Ruzowitzky, der für sein KZ-Drama "Die Fälscher" mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Er war ahnungslos, wer sich einquartiert hatte, und ist die unliebsamen Mieter erst mit einer Delogierung Ende 2012 losgeworden. Der Mietvertrag lief auf den Neonazi Jürgen W. aus Ebensee. "Alles alte Bekannte von uns", sagt Peham zur "Wiener Zeitung", einige seien bereits wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz und aufgrund von Körperverletzungen verurteilt worden. Womöglich habe der Name "Objekt 21" seine Wurzeln in der Hausnummer des Hauptquartiers, vielleicht sei es auch ein versteckter Code. Jedenfalls verortet er die Gruppe in der Skinheadszene und bezeichnet seine Mitglieder als "extrem gewalttätig". Ihr Logo, ein Schlagring, spreche für sich.

Dass illegale Prostitution und Drogenhandel eher an die Machenschaften des Motorradklubs "Hells Angels" erinnern, ist laut Peham ein Trugschluss: Neonazis seien seit den 70er Jahren nur kriminell unterwegs und: "Wir dürfen nicht vergessen: Das Neonazimilieu ist von sich aus ein kriminelles Milieu." Die Grenze zwischen "Hells Angels" und Neonazis sei eine fließende; etwa hätten die "Hells Angels" eines ihrer großen Treffen im niederösterreichischen Klublokal der Nationalen Volkspartei - einer österreichischen rechtsextremen Partei - abgehalten. Er ortet ähnliche Entwicklungen eines neonazistischen Untergrunds wie in Deutschland ("Zwickauer Zelle").

Peham: "Erlebniswelt Neonazismus in Österreich"

"Der Neonazismus hat sich auch in Österreich bereits vor einiger Zeit zu regelrechter Erlebniswelt ausgeweitet", so Peham, er spricht von einer "Riesen-Industrie": Im Internet blühe der Verkauf von einschlägigen CDs und T-Shirts, auch über Konzerte werde viel eingenommen - und, wie die aktuellen Vorfälle zeigen, via mafiösen Geschäften. Die braunen Flecken Österreichs sind laut Peham das Salzkammergut, Teile Vorarlbergs und eben der Innkreis. Dort gäbe es auch Verbindungen nach Bayern und Thüringen und konnte bis vor kurzem mit Ostdeutschland verglichen werden: "Dort bestimmen Neonazis darüber, wer er sich auf der Straße aufhalten darf." Mitglieder des "Objekts 21" gehörten laut Peham teilweise auch der rechtsextremen Jugendorganisation "Bund Freier Jugend" an - und zu dieser pflegte der Holocaust-Leugner Gottfried Küssel gute Kontakte.

Im Fall des "Objekts 21" habe die Polizei schnell gehandelt, indem sie schon 2010 Hausdurchsuchungen durchgeführt habe, so Peham. Doch auf politischer Ebene würde das Innenministerium die Gefahr, die von der Neonaziszene ausgeht, eher kleinreden.



"Blood and Honor" ist ein rechtsextremes Netzwerk (vor allem Internethandel), vieles fällt unter das Verbotsgesetz. Aus diesem Umfeld entstand "Objekt 21". Die "Zwickauer Zelle" ist eine rechtsextreme terroristische Vereinigung in Deutschland.