Zum Hauptinhalt springen

Schlagabtausch über Gasversorgung

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Russlands Premier Putin wettert gegen "Enteignung" von Gazprom. | Barroso verteidigt EU-Regeln. | Brüssel. Groß war der Besuch des russischen Premiers Wladimir Putin und zwölf seiner Minister bei der EU-Kommission angekündigt worden. Von "fruchtbaren und konstruktiven" Gesprächen erzählte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nachher wie so oft. Doch schon in der Pressekonferenz wurden massive Differenzen zwischen EU und Russland offensichtlich. Putin und Barroso lieferten einander einen öffentlichen Schlagabtausch über die Zukunft der Gasleitungen in Europa, ein zentrales Thema zwischen der Union und ihrem Hauptgaslieferanten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Konkret kritisierte Putin scharf die von der EU beschlossene Neuregelung des EU-Energiebinnenmarktes, die von Gazprom die Ausgliederung ihrer Gasleitungen in der EU verlangt. Denn die Reform sieht vor, dass Energieerzeugung und Vertrieb einerseits und die Energieübertragung andererseits künftig nicht mehr in einer Hand bleiben dürfen. Dadurch erwarten sich die Strategen der EU-Kommission leichteren Zugang neuer Produzenten zum Netz und daher mehr Wettbewerb. Die Bestimmungen seien nicht diskriminierend, erklärte Barroso. Alle in der Union tätigen Firmen müssten sie akzeptieren, ob sie nun aus Russland, Norwegen oder der EU kämen.

Putin wetterte, dass das Gas dann eben teurer werde, weil die Netzbetreiber zusätzlichen Gewinn machen müssten. Das sei eine einfache Rechnung und könne doch wohl in niemandes Interesse sein. Zudem verstoße die "Enteignung" von Besitz gegen den Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Russland. Barroso bestritt einen Verstoß und bedauerte, dass es offenbar "unterschiedliche Vorstellungen von Wettbewerbsregeln" gebe.

Vorsichtig blieb der Portugiese auch zur russischen Forderung nach Visafreiheit für Reisen in die EU. Zwar finde er einen "gemeinsamen Raum von Lissabon nach Wladiwostok in wirtschaftlicher Hinsicht" interessant. Bei der Visaliberalisierung verwies er aber bloß auf eine Liste nächster gemeinsamer Schritte. Einig waren sich Barroso und Putin immerhin, dass ein möglichst rascher WTO-Beitritt für Russland ein Meilenstein am Weg zu einem neuen Partnerschaftsabkommen sei, über das seit Jahren verhandelt wird.