)
Einige heimische Zeitungen haben sich am Höhepunkt des öffentlich ausgetragenen Streits um die Zukunft des ORF mit einem "Manifest" zu Wort gemeldet. Es trägt den kämpferischen Titel "Rettet den ORF!" und fordert in sieben Punkten nichts weniger als eine Zerschlagung und Neugründung des ORF. "Kurier", "Presse" und "Standard" sowie einige Bundesländerzeitungen und der "Falter" haben das Manifest am Dienstag veröffentlicht. | Das hat durchaus Tradition: Schließlich waren es die Zeitungen, die Anfang der 1960er Jahre mit einem Rundfunk-Volksbegehren den ORF der Ära Bacher erst erzwungen haben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch was bedeuten die Punkte im Detail, die diesmal gefordert werden? Etwa jener: "Alle nicht zum Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählenden Aufgaben soll der ORF von kommerziellen Dritten besorgen lassen; Auslagerung allein erbringt nicht die notwendige Produktivität." Das bedeutet in aller Konsequenz, dass der ORF sich von klar nicht-öffentlich-rechtlichen Programm wie ORF 1 und Ö3 zu trennen hat. Diese sollen "von kommerziellen Dritten" erledigt werden, sprich: privatisiert werden.
Genau an diesem Punkt muss man jedoch die Frage stellen: "Cui bono?" Es ist kein Geheimnis, dass wohl alle Medienkonzerne Österreichs lieber heute als morgen einen profitablen Leckerbissen wie Ö3 oder ORF 1 schlucken würden. Also wohl auch Raiffeisen oder die Styria - also genau jene Konzerne, deren Zeitungen das Manifest tragen. Ein Schelm, wer es gerade in diesem Zusammenhang spannend findet, dass ausgerechnet die Styria-Blätter "Presse" und "Kleine" das Manifest seitenfüllend auf der Seite 1 platziert haben.
Auch der Punkt "Der Stiftungsrat ist nur mit ausgewiesenen, erfahrenen Fachleuten der Medienbranche zu besetzen" birgt Diskussionsstoff: Bisher ist es gesetzlich verboten, dass Mitarbeiter aus Verlagen in den Stiftungsrat entsandt werden. Das hat einen guten Grund: Erstens stecken diese dann in einem natürlichen Interessenskonflikt zwischen den Interessen ihres Arbeitgebers und jenen des ORF, dem sie als Stiftungsrat verbunden sind.
Und zweitens wollte man somit verhindern, dass etwa Verlagsmitarbeiter Kooperationen mit dem ORF aushandeln und dafür die ORF-Geschäftsführung bei Beschlüssen im Stiftungsrat unterstützen. Doch wo sollen die "erfahrenen Fachleuten der Medienbranche", die das Manifest nun fordert, herkommen, wenn nicht aus der Führungsebene der großen Verlage? Hier sind Interessenskonflikte programmiert.
Auch die Forderung nach der Beschneidung von Kollektivverträgen wirft ein seltsames Licht auf die Verfasser. Denn einem generell niedrigeren Lohnniveau in der Medienbranche wären die Verleger auch nicht abgeneigt.