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Schlammschlacht in Australien

Von Alexander U. Mathé

Politik

Liberaler Herausforderer Abbott liegt in Umfragen vor Premierminister Rudd.


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Canberra/Wien. In Nazi-Uniform und etwas dümmlich dreinblickend prangte Premierminister Kevin Rudd auf der Titelseite des "Daily Telegraph". "Schmeißt das Gesindel raus", schrieb die Boulevardzeitung. Die Australier haben den Ruf, ein etwas rauerer Menschenschlag zu sein und diesem Ruf werden sie in ihrem Wahlkampf mehr als gerecht. Diesen Samstag schreiten sie zu den Urnen und entscheiden, ob Rudd und seiner Labor-Partei eine zweite Amtszeit vergönnt ist oder ob sein Herausforderer Anthony Abbott und dessen Liberal Party das Ruder übernehmen.

Der Kampf hat sich zu einer regelrechten Schlammschlacht entwickelt. Dafür sorgt schon allein ein gebürtiger Australier, der weltweit sicherlich bekannter ist, als die beiden Spitzenkandidaten zusammen: Medienzar Rupert Murdoch. Dem US-Amerikaner gehören 70 Prozent der Medien des Landes und die sind allesamt darauf angesetzt, Rudd aus dem Premierssessel zu katapultieren. Der Hass Murdochs, so heißt es, sei auf den Plan Rudds zurückzuführen, das Super-Breitbandnetz im Land um 34 Milliarden Dollar auszubauen. Das bedrohe vor allem das Monopol des Murdoch-Kabelsenders Foxtel, erklären Analysten.

Bei der geballten Medienoffensive wundert es nicht, dass Abbott in den Umfragen vorne liegt. Doch auch Rudds Team hat sich prominente Unterstützung geholt. Labor heuerte drei Experten für digitale Medien aus dem Wahlkampfteam von US-Präsident Barack Obama an und versucht über soziale Medien dagegenzuhalten, die schon Obama den Sieg gesichert hatten. 1,4 Millionen Menschen folgen Rudd auf Twitter. Im Gegensatz dazu wirkt Abbott mit seinen 190.000 Followern sozial tot. Ein Überraschungssieg Rudds scheint durchaus möglich.

Fast schon zur Nebensache verkommen bei all den gegenseitigen Angriffen die Haupthemen des Wahlkampfs: Klima, Asyl und Homo-Ehe (siehe Grafik). Solche Luxusthemen kann man sich leisten, in einem Industrieland, das als eines der ganz wenigen - wenn nicht gar als Einziges - die Weltwirtschaftskrise unbeschadet überstanden hat. Der Form nach steht alles zum Besten: Das Wirtschaftswachstum liegt konstant bei rund drei Prozent, die Arbeitslosigkeit bei vergleichsweise niedrigen 5,7 Prozent und mit 43.300 US-Dollar war das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2012 eines der höchsten weltweit. Das liegt nicht zuletzt an der engen Verknüpfung mit der asiatischen Wirtschaft. China ist der mit Abstand größte Handelspartner, der es vor allem auf australische Kohle abgesehen hat. Der Bergbau ist in Downunder die treibende Kraft. Er erwirtschaftet etwa 8,5 Prozent des BIP jährlich und macht mehr als 40 Prozent aller australischen Unternehmensgewinne aus.

Wirtschaft im Sog von China

Doch das Land blickt ungewissen Zeiten entgegen. Nun da der chinesische Turbo gedrosselt wurde, leidet auch Australien. "Während das Exportvolumen weiter steigt, sind die Preise, die wir erzielen, seit dem Allzeithoch vor einem Jahr um fast 25 Prozent gefallen", sagt Rudd. "Der chinesische Rohstoffboom, der unseren Reichtum gemehrt hat, ist vorbei." Nicht nur deshalb wird damit gerechnet, dass der Prozentsatz an Arbeitslosen innerhalb der nächsten 12 Monate auf 6,5 Prozent steigen wird. Gleichzeitig sind Lebenshaltungskosten nicht zuletzt wegen des Booms der letzten Jahrzehnte gestiegen. Australische Städte gehören zu den teuersten der Welt, Sydney schafft es regelmäßig unter die Top Ten. Eine unangenehme Kombination.

Viele Australier fürchten den Absturz. Ein Indiz dafür, dass sie sich auf trübe Zeiten einstellen könnte ihr gesteigerter Sparwillen sein. 15.427 australische Dollar hat der durchschnittliche Haushalt im ersten Quartal 2013 auf der Bank liegen gehabt, besagt eine Studie des Finanzdienstleisters ING. Noch vor zwei Jahren belief sich dieser Betrag auf lediglich 5000 Dollar.

Ob sich die Einstellung nach der Wahl ändert? Es scheint, als sei die Antwort Nein. Allgemein herrscht der Eindruck, dass trotz Trubels und harten Wahlkampfs keiner der Politiker die Menschen erreicht. Einige Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Proteststimmen am 7. September ein Rekordhoch erreichen dürfte. Das hat schon bei der letzten Wahl dazu geführt, dass keine der beiden Großparteien die nötige Mehrheit im Abgeordnetenhaus erhalten hat. Nur mit Ach und Krach gelang es schließlich Labor, eine Allianz mit Grünen und Unabhängigen zu schmieden. Dieses Mal wird es wohl ähnlich knapp.