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Schlammschlacht in Hamburg

Von Ines Scholz

Politik

Das hanseatische Experiment mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill ist gescheitert. CDU-Bürgermeister Ole von Beust entließ am Dienstag den umstrittenen Innensenator. Im Gegenzug warf ihm dieser öffentlich ein homosexuelles Verhältnis mit dem Justizsenator vor. Auslöser der Krise war eine Personal-Affäre um Innen-Staatsrat Walter Wellinghausen wegen angeblicher verbotener Nebentätigkeiten. Wellinghausen war Schills wichtigster Mitarbeiter. Die Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei scheint trotz der Schmutzorgie weitermachen zu wollen.


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Von Beust erklärte in einer eilends einberufenen Pressekonferenz, Schill habe ihn erpresst und sei daher für das Amt "charakterlich nicht" geeignet.

Schill hatte den Bürgermeister nach dessen Ausführungen in einem Vier-Augen-Gespräch damit gedroht, im Fall der Entlassung des Staatsrates Walter Wellinghausen publik zu machen, dass er, Beust, seinen angeblichen Lebenspartner Roger Kusch zum Justizsenator gemacht und damit Privates und Politisches verquickt habe. Daraufhin entließ gestern Beust nicht nur Wellinghausen aus seinem Amt (weil dieser kürzlich eingeräumt hatte, neben seinen Dienstbezügen unerlaubterweise weiterhin hohe Einnahmen aus Nebentätigkeiten bezogen zu haben), sondern auch gleich den Innensenator.

Kaum gefeuert, machte Schill seine Drohung wahr und erklärte öffentlich, der christdemokratische Bürgermeister habe ein homosexuelles Verhältnis mit dem Justizsenator. Er habe Zeugen dafür, dass es in der Wohnung des Justizsenators zwischen Kusch und Beust zu etwas gekommen sei, dass man als Liebesakt bezeichnen könne. Von Beust wies die Anschuldigungen zurück. "Die Behauptung ist falsch und die Drohung ist ungeheuerlich", sagte er vor der Presse. Kusch und er seien seit 25 Jahren - seit dem Studium - gute persönliche Freunde. "Das ist alles - absolut alles."

Schill verteidigte sich seinerseits vor Journalisten, die Erpressungsvorwürfe von Beusts seien "nicht richtig". Vielmehr habe er von Beust in einem persönlichen Gespräch erklärt, es widerspreche seinem Gerechtigkeitsgefühl, dass der Bürgermeister einerseits anderen Politikern moralisches Fehlverhalten vorwerfe, gleichzeitig aber "seinen Lebensgefährten Roger Kusch" zum Justizsenator gemacht habe. Er habe daher an von Beust appelliert, sich an das biblische Motto zu halten: "Nur wenn Du unschuldig bist, werfe den ersten Stein". Gegen den geschassten Hamburger Innensenator Schill ermittelt seit gestern die Behörde des Generalbundesanwalts in Karlsruhe wegen Verdachts der Nötigung von Verfassungsorganen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte die Bundesanwälte eingeschaltet.

Rückzug aus der Politik

Trotz des Verwürfnisses zeichnet sich eine Fortsetzung des eigenwilligen hanseatischen Bündnisses ab. Alle drei Parteien bekundeten Interesse. "Die Koalition arbeitet erfolgreich und wird weitergeführt", meinte Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf. Schill selbst empfahl seiner Partei, weiterzumachen; er selbst will sich aus der Politik zurückziehen.

Der als "Richter Gnadenlos" bekannt gewordene ehemalige Amtsrichter hatte im Jahr 2000 die Partei Rechtsstaatlicher Offensive gegründet. Bei der Landtagswahl 2001 errang der Rechtspopulist mit markigen Law-and-Order-Sprüchen aus dem Stand fast 20 Prozent der Stimmen. Sein Programm - hartes Durchgreifen gegen Drogendealer, Ausländer und kriminelle Jugendliche - sprach vielen Bürgern aus dem Herzen. Dabei war er den Weg in die Politik nach eigenem Bekunden "notgedrungen" angetreten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den damaligen Amtsrichter ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung eingeleitet.

Auch als Politiker geriet der nunmehr 45-Jährige schon bald in die Defensive. Anfang 2002 wird er des Kokain-Konsums verdächtigt. Ein Haartest entkräftet die Vorwürfe. Kurz darauf erschüttert ein Skandal um Vetternwirtschaft die Partei: Schill-Bausenator Mario Mettbach muss seine Lebensgefährtin entlassen, die er sie trotz fehlender Fachkompetenz als persönliche Referentin eingestellt hatte.

Die frühe Entzauberung der Ordnungshüter trug wohl maßgeblich dazu bei, dass das Phänomen Schill auf Hamburg beschränkt blieb. Der Sprung über die Stadtgrenze hinaus misslang. Bei der Landtagswahl 2002 in Sachsen-Anhalt scheiterte die Schill-Partei mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Bei der Bundestagswahl 2002 kam sie sogar nur auf 0,8 Prozent.