Registrierung der Kandidaten für die Wahl im Juni endet am Samstag.
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Teheran/Wien. Vor der Wahl des siebenten Präsidenten brodelt es in der Islamischen Republik gewaltig. Die Frage, wer den scheidenden Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad nach der Wahl am 14. Juni beerben wird, beschäftigt nicht nur die Bevölkerung, die in- und ausländischen Medienvertreter und politischen Beobachter, sondern auch den Führungszirkel. Ahmadinejad selbst darf nach zwei Amtszeiten gemäß der Verfassung nicht mehr antreten.
Nur noch bis Samstag haben die Bewerber die Möglichkeit, sich im Innenministerium registrieren zu lassen, um dann zu hoffen, dass sie vom für Wahlen zuständigen Wächterrat approbiert werden. Alle zugelassenen Kandidaten dürfen dann ab 24. Mai, also zwei Wochen später, ihren Wahlkampf beginnen. Bis Freitag hatten sich bereits mehr als 150 Kandidaten registrieren lassen, darunter auch fünf Frauen.
Alle Augen sind nun auf den Chef des Wächterrates, Ayatollah Ahmad Jannati, gerichtet. Dieser machte bereits in dieser Woche kein Hehl daraus, dass er sich jede Einmischung in die Arbeit des Wächterrates verbitte. Sein Gremium werde sehr genau prüfen, ob die Eignung der einzelnen Kandidaten im Sinne der islamischen Grundgesetze gegeben sei. Dieser eindeutige Seitenhieb auf Ahmadinejads engem Vertrauten und Wunschnachfolger Esfandiar Rahim Mashaei sollte das Ziel der Geistlichkeit im Umfeld des Obersten Führers Ali Khamenei unterstreichen, alle nicht genehmen Kandidaten im Vorfeld "auszuschalten". Mashaei ist der religiösen Elite mit seinen nationalistischen Ansichten ein Dorn im Auge.
Mashaeis Kandidatur dominiert denn auch die Wahldebatte, die sich zur medialen und politischen Schlammschlacht entwickelt hat: Alle fragen sich, ob Mashaei vom Wächterrat eine Zulassung erhält oder nicht. Derzeit stehen die Chancen für ihn allerdings eher schlecht. Mehrere Medien berichteten kürzlich von harschen öffentlichen Verbalattacken hoher Würdenträger auf Ahmadinejad. Auch die Bilanz seiner Amtszeit fiel mit Kommentaren wie "extrem bittere Zeit für den Iran" vernichtend aus. Der renommierte Iran-Experte Bahman Nirumand sagte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", der Druck auf Ahmadinejad und Mashaei sei enorm erhöht worden, um keine Unruhen und Aufruhr vor der Wahl heraufzubeschwören.
Ominöse Berichte
Zusätzliches Öl ins Feuer gossen in den vergangenen Tagen Berichte über ein angebliches Tonband im Besitz des Präsidenten. Vor elf Tagen habe Ahmadinejad - so die Website Baztab, die mittlerweile offline gestellt wurde - der Geistlichkeit ausrichten lassen, dass er geheime Mitschnitte besitze, die belegen würden, dass die Bevölkerung bei der Wahl 2009 betrogen worden sei. Er würde diese Mitschnitte veröffentlichen, sollte sein Vertrauter Mashaei nicht vom Wächterrat approbiert werden. Einer dieser Mitschnitte belege, dass offizielle Würdenträger die Zahl der Stimmen für Ahmadinejad beim Urnengang 2009 mit 24 Millionen bezifferten, während die tatsächliche Anzahl nur 16 Millionen betragen habe. Ahmadinejad soll sich in der Aufnahme ausdrücklich gegen die Manipulation der Wahlergebnisse ausgesprochen haben. Das Büro Ahmadinejads wies die Berichte von Baztab als "falsch" und "unwahr" zurück.
Doch nicht nur Ahmadinejad steht im Fokus der Kritik, sondern auch seine beiden Vorgänger Mohammad Khatami und Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani. Die Frage, ob die beiden noch einmal eine Kandidatur wagen, hat eine Flut an Reaktionen ausgelöst. So gab es in den vergangenen Tagen mehrere mediale Angriffe der ultra-konservativen rechten Hardliner auf die beiden Ex-Präsidenten. "Niemand wird vergessen, was Ihr 2009 getan habt. Wange an Wange habt ihr den Feinden und den Anführern des Aufruhrs und der Unruhestifter die Stange gehalten. Glaubt nicht, dass wir euch heute an hohe Staatsposten ranlassen", polterte etwa der erzkonservative Chefredakteur des Khamenei-Blattes "Keyhan".
Warten auf Überraschungen
Ein politischer Analyst im Iran, der nicht beim Namen genannt werden will, sagte am Donnerstag der "Wiener Zeitung", dass eine etwaige Kandidatur Rafsanjanis die "einzige mögliche Sensation" bei der ganzen Wahl wäre. "Wissen Sie, es ist eigentlich nichts Spannendes zu erwarten bei dieser Wahl, der Wächterrat wird im Sinne Khameneis selektieren und die Konservativen werden die Kandidatenliste dominieren. Doch bis Samstag ist es spannend. Das ganze Land fiebert mit, denn sie wissen alle, dass Rafsanjani einiges umkrempeln würde, und die Hardliner werden alle Hebel in Bewegung setzen, um seine Wiederkandidatur zu verhindern." Wie viele Beobachter setzt aber auch er auf eine "Last-minute"-Kandidatur Rafsanjanis.
Konservative für Velayati
Unter den bisher registrierten Kandidaten wird der als moderater Pragmatiker geltende Ex- Atomchefunterhändler Hassan Rohani Favorit gehandelt. Bis Samstag wird noch die Registrierung der konservativen Bewerber erwartet. Ihr Zugpferd ist der Ex-Außenminister und außenpolitische Berater Khameneis, Ali Akbar Velayati.
Bereits angemeldet hat sich Ex-Geheimdienstchef Ali Fallahian, gegen den 1997 in Deutschland ein Haftbefehl ausgestellt wurde. Sein Wahlmotto: "Islam, Fortschritt, ein mächtiger Iran". Ein Berliner Gericht bezeichnete ihn als Hauptdrahtzieher bei der Ermordung von vier iranisch-kurdischen Dissidenten im Jahr 1992 im Restaurant "Mykonos" in Berlin-Charlottenburg. Teheran wies damals die Anschuldigungen als "absurd" zurück.
Das politische System des Iran