Die Insekten sind lernfähig und steuern auf schnellstem Weg die besten Blüten an.
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Hamburg. Hummeln haben’s nicht gerade leicht. Bei jedem Wetter sind sie bis zu 18 Stunden unterwegs und steuern Hunderte von Blütenkelchen an, um Nektar aus ihnen zu saugen. Die Hummeln verfügen allerdings nicht wie die Honigbienen über ein Zeitgedächtnis - deswegen wissen sie nicht, welche Nektarquellen wann am ergiebigsten sind. Ebenso wenig haben sie eine Tanzsprache, wodurch sie außerstande sind, einander die Standorte ergiebiger Blüten mitzuteilen. Hinzu kommt, dass die Hummeln es nicht wagen, Blüten in unmittelbarer Nähe ihres Nestes anzufliegen, denn damit würden sie riskieren, ihre Feinde dorthin zu locken. Hummeln müssen also genau darauf achten, bei Flügen keinen Treibstoff zu vergeuden - obwohl ihre Nektarquellen in der Regel kreuz und quer in der Gegend verteilt sind.
Die einfachste Strategie bestünde darin, sich immer zur jeweils nächstgelegenen Blüte zu begeben. Doch können die Hummeln es irgendwie schaffen, die optimale, ein Minimum an Energie und Zeit kostende Reiseroute zu finden? Mathematiker nennen die Aufgabe das "Problem des Handlungsreisenden". Sind Hummeln dazu in der Lage?
Um der Frage auf den Grund zu kommen, haben Mathieu Lihoreau, Lars Chittka, Steven Le Comber und Nigel Raine von der Universität London jüngst eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Über die Ergebnisse berichten sie in den "Royal Society Biology Letters". Ein Handlungsreisender soll Kunden in 15 Städten aufsuchen. Welche Route muss er nehmen, wenn er nur so viele Kilometer fahren will, wie unbedingt nötig sind?
Um die jeweils optimalen Routen zu berechnen, ist oft ein derartiger Rechenaufwand erforderlich, dass die Computer heiß laufen, weil die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten schnell astronomisch hoch wird. Im vorliegenden Fall hat der Handlungsreisende die Wahl zwischen 43.589.145.600 verschiedenen Rundreise-Routen. Können es Hummel-Gehirne mit Computern aufnehmen? Für ihr Experiment setzten die Londoner Forscher acht Erdhummeln in einem Flugkäfig aus, in dem sechs synthetische, mit Zuckerlösungen ausgestattete Blumen standen. Insgesamt durften die Hummeln 640 Mal ausschwärmen. Zuerst wurden die Kunstblüten mit der gleichen Menge Nektar, danach mit unterschiedlichen Mengen gefüllt. "Indem wir eine Blüte nektarreicher machten, zwangen wir die Hummeln, sich zu entscheiden, ob sie die kürzeste Route wählen oder zuerst die lohnendere Blüte ansteuern sollten", erklärt Lihoreau.
Als die Forscher analysierten, welche Blüten in welcher Reihenfolge angeflogen worden waren, machten sie eine verblüffende Entdeckung: Die Hummeln hatten auf ihren ersten zehn Flügen eine durchschnittlich 6541 Zentimeter lange Strecke zurückgelegt, auf ihren letzten zehn Flügen hingegen bloß noch eine Strecke von 3840 Zentimeter. Außerdem hatten sie bei den kürzeren Flugstrecken weniger häufig dieselbe Blume zwei Mal angesteuert und diese Flüge in kürzerer Zeit absolviert als vorher. Lihoreau, Chittka, Le Comber und Raine schlussfolgern daraus, dass es den Hummeln tatsächlich gelingt, durch ein Lernen aus Versuch und Irrtum Schritt für Schritt die kürzeste oder die annähernd kürzeste Route zu ermitteln. "Vermutlich behalten die Tiere die letzte Route in Erinnerung und vergleichen deren Länge mit der aktuellen", sagt Lihoreau: "Wenn die neue Wegstrecke kürzer ist, geben sie die alte auf und wechseln zur nächstbesten Lösung."
Logisch korrekte Schlüsse beschleunigen die Suche
Aber damit nicht genug. Biologen um Erika Dawson vom Institute of Zoology der Universität London haben eine weitere Strategie entdeckt, die Hummeln anwenden, um ihre Nektarsuche zu beschleunigen: Sie beobachten ihre Artgenossen und ziehen aus den Beobachtungen logisch korrekte Schlüsse, berichten die Forscher in "Current Biology". Zunächst ließen sie 250 Hummeln in einer Flugarena herumfliegen, wo eine Reihe künstlicher Blumen in unterschiedlichen Farben standen. Auf jenen Kunst-Blüten, die mit einer Zuckerlösung gefüllt waren, lagen tote Hummeln oder Hummelattrappen. Es dauerte nicht lange, bis die Versuchstiere entdeckt hatten, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit genau dort auf Nahrung stoßen würden, wo Artgenossen waren.
Einige Zeit später konnten die Testhummeln die Flugarena zehn Minuten lang durch eine Glasscheibe betrachten. Dort waren erneut Kunstblumen aufgebaut, von denen wieder einige mit Pseudoartgenossen besetzt waren. Anschließend entfernten die Forscher die Hummelattrappen, veränderten die Reihenfolge der Kunstblumen und schickten ihre 250 Testhummeln ein weiteres Mal auf die Reise. Wie sich zeigte, waren die Insekten imstande, aus der Beobachtung von Aktionen ihrer Artgenossen Entscheidendes zu lernen. Sie steuerten nämlich nur Blüten an, die farblich mit denjenigen übereinstimmten, auf denen die Hummel-Attrappen gesessen hatten. Gelernt hatten die Hummeln in diesem Fall nicht bloß, welche Blütenfarben ihre Artgenossen am attraktivsten fanden, sondern sie hatten auch geschlussfolgert, dass von Blüten in diesen Farben die höchste Nektarausbeute zu erwarten war.
"Trotz ihrer winzigen Gehirne sind Hummeln schlau genug, um die attraktivsten Blüten dadurch zu identifizieren, dass sie andere Hummeln beobachten und aus ihrem Verhalten lernen", erklärt Elli Leadbeater, eine Kollegin Erika Dawsons. Die Biologen vermuten, dass die Hummeln dank dieser cleveren Strategie keine Zeit und Energie damit vergeuden, Blüten anzufliegen, die wenig oder gar keinen Nektar enthalten.