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Schlecht gerüstet

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Wir erleben eine gespenstische Neuauflage des Kalten Krieges - der Westen ist militärisch kaum vorbereitet.


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Die Sprache des Kalten Krieges ist wieder da, wuchtiger als zuvor, mit neuem Gerede über atomare Alarmzustände, angebliche Tests von atomaren Mittelstreckenraketen und Ärger über den Nato-Schutzschirm. Liest man die jüngsten Nachrichten, sieht es fast so aus, als wären die Beziehungen zwischen den USA und Russland in ein schwarzes Loch gefallen, in Richtung der 80er Jahre.

Bei der Debatte über russische Aggressionen geht es nicht nur um die Ukraine. Die Regierung von US-Präsident Barack Obama erörtert die Ausweitung ihrer Russlandpolitik, ist aber uneinig. Verteidigungsminister Ashton Carter und General Martin Dempsey scheinen Waffen in die Ukraine liefern zu wollen. Obama ist aber hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die russischen Aktionen einzudämmen und der bleibenden Hoffnung auf Zusammenarbeit mit Moskau, sowohl bei den Atomverhandlungen mit dem Iran, als auch bei einer Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien.

Die Rüstungskontrolle, die half, den Kalten Krieg stabil zu halten, scheint sich nun in die andere Richtung zu bewegen. Vorige Woche hat sich Russland von den Beratungen zum Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa aus dem Jahr 1990 zurückgezogen, signalisierend, den Pakt aufgegeben zu haben. Und Moskau weigert sich, über weitere Kürzungen bei Atomwaffen für die geplante Erweiterung des "Start"-Vertrags aus dem Jahr 2010 zu sprechen.

Das beunruhigendste Scheitern der US-russischen Détente ist aber wohl die Auflösung des INF-Vertrags von 1987 über atomare Mittelstreckenraketen in Europa. Im Juli beschuldigten die USA Russland, den Pakt durch das Testen einer Boden-Cruise-Missile , die die vereinbarten Grenzen überschreitet, zu brechen. Die Russen konterten mit ähnlichen Anschuldigungen gegen die USA.

Carter warnte in seiner Rede vor dem US-Kongress im Februar, die USA würden militärische Optionen in Betracht ziehen, wenn sich Russland weiter nicht an den INF-Vertrag hält. Das mögliche Aus dieses Vertrags ist von Bedeutung, da es ein wesentlicher Schritt zur Beendigung des Kalten Krieges war. Bei seinen Schritten, Russlands Macht wiederherzustellen, benutzt Putin Taktiken (etwa die Bewaffnung der Separatisten in der Ostukraine), die mehr Geheimdienstoperationen gleichen als konventionellem militärischem Vorgehen.

Die USA signalisieren seither, sie würden militärisch eingreifen, um ähnliche Aggressionen gegen ein Nato-Mitglied zu stoppen. Aber hat die Nato noch die militärische Stärke, Angriffen wirkungsvoll zu entgegnen? Die USA haben ihre Streitkräfte in Europa auf einen Bruchteil dessen verringert, was sie in Zeiten des Kalten Kriegs waren. Und die europäischen Staaten, abgelenkt von der Wirtschaftskrise, haben Zusagen, ihre eigenen Streitkräfte aufzustocken, nicht umgesetzt. Es ist sehr lang her, dass die Nato richtig getestet wurde - die Nato-Staaten haben vielleicht schon vergessen, was kollektive Selbstverteidigung wirklich bedeutet.

Übersetzung: Hilde Weiss