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"Schlecht verhandelt haben wir nicht"

Von Eva Stanzl und Karl Leban

Reflexionen
Mitterlehner glaubt nicht, dass sich die Zukunft der ÖIAG in dieser Legislaturperiode entscheidet. Foto: Pessenlehner

Aber: "Haben uns zu lang als Klima- Weltmeister gesehen." | Forschungsquote von 2,73 Prozent "zufriedenstellend". | "Wiener Zeitung": Die heimischen Autozulieferer haben 2009 trotz Schrottprämie 30 Prozent an Umsatz verloren. Kurzarbeit werde nicht ausreichen, klagt die Branche. Führt die Modifizierung der Kurzarbeit, die diese für den Arbeitgeber attraktiver macht, dazu, dass ein Strukturwandel verschoben wird? | Reinhold Mitterlehner: Die Kurzarbeit soll genau das Gegenteil bewirken und Umstrukturierungen erleichtern. Es war nicht angedacht, dass damit Auftragsdellen durchgetaucht werden und nachher alles ist wie vorher. Wer kurzarbeiten lässt, auch ein Autozulieferer, muss neue Märkte entsprechend angehen.


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Sind die Autozulieferer an ihrer Misere selber schuld?

Das würde ich nicht sagen. Letztlich muss jeder, der etwas anbietet, ein Bedürfnis treffen. Man kann nicht überall Hilfen von 100 Prozent geben, die jedes Problem beheben. Wenn jemand vor der Krise Fehler gemacht hat, werden sie in der Krise noch deutlicher.

Die Regierung hat eine Forschungsstrategie in Arbeit als Grundlage für die künftige Forschungspolitik. Das Ringen um die Mittel hat begonnen. Etwa wünscht sich die Industrie eine Anhebung der Forschungsprämie von 8 auf 12 Prozent, was 150 Millionen Euro kosten soll. Was sagen Sie dazu?

Das ist eine wichtige, aber sehr teure Frage. Der Finanzminister sagt, dass das nicht 150, sondern rund 200 Millionen Euro ausmacht. Wir müssen diskutieren, ob wir uns das leisten können.

Es gibt noch andere Begehrlichkeiten: Etwa wünscht sich die Forschungsförderungsgesellschaft ein jährliches Plus von 10 Prozent in der unternehmerischen Forschungsförderung. Ist das realistisch?

Man kann nicht alle postulierten Wünsche eins zu eins weitertragen, wenn die budgetäre Situation zu Effizienzsteigerungen und Einsparungen anhält. Daher setzen wir bei den Verhandlungen für das Doppelbudget 2010/11 neue Aktivitäten nach einem Prioritätenplan. Man muss sehen, was man mit Umstrukturierungen machen kann, um neue Schwerpunkte zu setzen.

Wie realistisch ist das Ziel einer Forschungsquote von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2020, wenn wir heuer das 3-Prozent-Ziel für 2010 nicht erreichen und derzeit bei 2,73 Prozent liegen?

2010 ist noch nicht vorbei. Ich finde die derzeitigen 2,73 Prozent sehr zufriedenstellend. Wir sind bei den Forschungsausgaben zu den führenden Ländern vorgestoßen. 4 Prozent können durchaus ein Ziel sein, nur muss sich die Konjunktur entsprechend entwickeln.

Die Regierung plant ein Klimaschutzgesetz. Was kann Österreich zum Klimaschutz noch beitragen?

Das muss man in der Ist-Situation sehen - sprich: Was können wir bis morgen realisieren? Damit meine ich, zur Erreichung unserer Verpflichtung bis 2012. Denn echte Klima-Maßnahmen sind nur sehr langfristig erzielbar. Ganz rasch werden wir nicht allzu viel über die Bühne bringen, daher sind wir kurzfristig auf den Zukauf von CO2-Zertifikaten angewiesen. Viele CO2-reduzierende Projekte, auch im Bereich der thermischen Sanierung, sind weniger eine Frage der Mittel als des Marktes. Wenn ich etwa 4 bis 5 Milliarden Euro für die thermische Sanierung bereitstellen würde, hätte ich gar nicht die Handwerker, die alle Projekte umsetzen können.

Ist es besser, weil billiger, CO 2 -Zertifikate zu kaufen, als in den Ausbau von Ökostrom zu investieren?

Zu meinen, dass wir mit gefördertem Ökostrom die Klimaziele erreichen, ist eine Illusion. Die erneuerbare Energie besteht nur zu 20 Prozent aus Ökostrom, 10 Prozent davon sind gefördert. Vom gesamten Energieverbrauch haben wir also nur 2 Prozent geförderten Ökostrom. Dazu kommen hohe Kosten: In der Photovoltaik kostet mich eine Tonne CO2-Vermeidung 1300 Euro - ein CO2-Zertifikat im selben Ausmaß aber nur 15 Euro.

Österreich ist CO 2-Musterschüler. Wie sinnvoll ist es für den globalen Klimaschutz, dass wir uns verpflichtet haben, weniger CO2 zu emittieren, wenn unsere Nachbarn mehr davon ausstoßen? Haben wir einfach schlecht verhandelt?

Im Prinzip haben Sie recht, was die Grenzen für die CO2-Emissionen betrifft. Nur, wenn jeder abwartet, bis der andere weniger emittiert, werden wir nie etwas erreichen. Schlecht verhandelt haben wir nicht, aber wir haben uns zu lang als Klima-Weltmeister gesehen und Folgemaßnahmen verpasst, die das Leben regeln, wie den Autoverkehr. Trotzdem: Beim Ökostrom liegen wir viermal besser als die EU, weil wir die - günstige - Wasserkraft besser nutzen können.

Für den Staat könnte beim künftigen Schuldenabbau der Verkauf von Familiensilber auch eine Rolle spielen. Hat die Regierung bereits Pläne für Privatisierungen?

Privatisierungen sind im Moment nicht angedacht - vor allem deshalb, weil die Zeit dafür nicht günstig ist. Sie sind auch nicht im Regierungsprogramm vorgesehen. Das Thema hat keinen sehr aktuellen Stellenwert.

Letzten Herbst haben Sie allerdings angekündigt, prüfen zu wollen, ob man einen Teil der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) über die Börse privatisieren könnte. Gibt es da schon ein Ergebnis?

Die Prüfung wird Ende Februar abgeschlossen sein. Vorweg kann ich dazu nur sagen: Tendenziell ist für diese Privatisierung derzeit weder die Stimmung noch die Voraussetzung positiv.

Wie wahrscheinlich ist es dann, dass das Projekt überhaupt realisiert wird?

Es ist zumindest sehr unwahrscheinlich, dass wir jetzt privatisieren. Dazu ist auch das aktuelle Börsenklima nicht angetan.

Seit der AUA-Privatisierung steht die Zukunft der Staatsholding ÖIAG auf dem Prüfstand der Regierung. In welche Richtung wird es gehen?

Die Standpunkte sind bekannt: Die SPÖ möchte die ÖIAG auflösen, die ÖVP will eine Weiterentwicklung, die jedoch nur auf Koalitionsebene auszuverhandeln wäre. Da dies im Regierungsprogramm derzeit nicht festgehalten und mir auch kein derartiges Papier bekannt ist, nehme ich an, dass hier bis zur nächsten Legislaturperiode nicht viel Bewegung kommen wird.

Den Verbund, der zu Ihrem Ressort gehört, würden Sie bei einer ÖIAG-Aufwertung weiter nicht hergeben?

Wir wollen nichts aufgeben. Im Gegenteil: Es wäre uns nicht unangenehm, noch einiges aus dem Versorgungsbereich dazuzubekommen.

Bleiben wir beim Verbund. Kärnten muss wegen der Hypo Alpe Adria noch Geld auftreiben und wird wohl Anteile am Landesversorger Kelag verkaufen müssen. Der Verbund, mit 35 Prozent bereits beteiligt, wäre ein logischer Käufer. Wie ist der Stand?

Wir haben nicht unbedingt ein vorrangiges strategisches Interesse. Ich kenne auch die Finanzierungspläne Kärntens nicht im Detail. Wir wollen hier jedenfalls nicht selbst aktiv werden. Das würde nur den Preis erhöhen.