Rabbi wünscht Palästinensern die Pest an den Hals. | Drohungen gegen Künstler, die nicht in Westjordanland auftreten wollen. | Washington/Wien. Rabbi Ovadia Yosef ist immer für kontroversielle Statements gut. Jetzt hat der einflussreiche Geistliche und führende Kopf der religiösen Shas-Partei, die in der israelischen Regierung sitzt, wieder verbal zugeschlagen: "Mögen sie von der Erde verschwinden, möge Gott sie mit der Pest strafen, sie und die Palästinenser, Bösewichte und Israelhasser", verkündete er auf die palästinensische Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas und das palästinensische Volk gemünzt.
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Die starken Worte des früheren Großrabbiners haben kurz vor der am Mittwoch startenden Nahost-Konferenz heftige Reaktionen ausgelöst. Palästina-Chefverhandler Saeb Erekat sprach von einem "klaren Aufruf zum Völkermord", das US-Außenministerium von "Verhetzung", und die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu beeilte sich zu erklären, dass das nicht ihrer Position entspräche. Immerhin sollen Netanyahu und Abbas schon am Mittwochabend nach Einzelgesprächen mit US-Präsident Barack Obama gemeinsam beim Abendessen sitzen. Tags darauf beginnen in Washington die direkten Gespräche der Kontrahenten, zu denen Obama eingeladen hat.
Enden sollen sie nach dem Willen des Nahost-Quartettes (USA, EU, Russland und UNO) nach einem Jahr mit der endgültigen Klärung aller Statusfragen. Dazu gehören die Festlegung der Grenzen eines palästinensischen Staates, die Frage der geflohenen Palästinenser und ihrer Nachkommen in anderen Staaten, Sicherheitsgarantien für Israel, der Status von Jerusalem, das beide Seiten als Hauptstadt beanspruchen, und der jüdische Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland, wo Abbas regiert.
Keine Aussagen zum Siedlungsstopp
Gerade der letzte Punkt dürfte der erste Stolperstein bei den Verhandlungen werden. Denn Israel hat auf Druck der USA hin vor knapp zehn Monaten den weiteren Ausbau der Siedlungen im Westjordanland (nicht aber in Ostjerusalem) gestoppt. Am 26. September läuft das Moratorium aus. Die Palästinenser drohen für den Fall, dass es nicht verlängert wird, mit dem Platzen der Verhandlungen.
Netanyahu hat aber am Sonntag nach einer Sitzung mit den Ministern seiner Likud-Partei neuerlich dementieren lassen, dass er an eine Verlängerung des Siedlungsstopps denke. Einen Vorschlag des Geheimdienstministers und Vizepremiers Dan Meridor stellte er als dessen persönliche Meinung dar. Meridor hatte gesagt, dass man nur in jenen Siedlungen weiterbauen könnte, die bei den Verhandlungen ohnehin Israel zugeschlagen werden könnten, in entlegeneren Gebieten hingegen nicht - einem solchen Gebietstausch haben auch die Palästinenser prinzipiell schon zugestimmt.
Unterdessen wird die Entscheidung über das Moratorium aufgeschoben und erst fallen, wenn der Gipfel in Washington vorbei ist, wie ein anderer Minister ankündigte.
Bliebe der Bau von Siedlungen ausgesetzt, muss Netanyahu um den Fortbestand seiner Regierungskoalition fürchten. Der ultrarechte Außenminister Avigdor Lieberman, der selbst südlich von Bethlehem in der Siedlung Nokdim im Westjordanland lebt, droht mit dem Bruch, falls nicht alle Siedlungen weitergebaut werden.
Der Staat Israel fördert den Zuzug in die Siedlungen großzügig, die Siedler genießen steuerliche Vorteile und haben mehr und billigeren Wohnraum zur Verfügung als im Kern Israels. Gebaut werden die Siedlungen übrigens hauptsächlich von Palästinensern - sie dienen Israel als billige Arbeitskräfte.
"Rechtswidrige"Kulturaktivitäten
Nicht alle Israelis sind mit dem expansiven Kurs der Regierung einverstanden. Dutzende Künstler, Regisseure und Autoren haben in einem Brief angekündigt, nicht in einem neuen Kulturzentrum in der Siedlerstadt Ariel auftreten zu wollen. Unter ihnen ist auch der Dramatiker Jehoshua Sobol ("Ghetto"), der seine Stücke nicht dort aufführen lassen will. "Es ist rechtswidrig, wenn unsere Kulturinstitutionen in besetztem Gebiet agieren", schreibt er.
Das Kulturzentrum soll im November in Ariel eröffnet werden, das mit 17.000 Bewohnern den Charakter einer kleinen Stadt hat. Die führenden Theater von Tel Aviv und Jerusalem sollen dort regelmäßig Gastspiele geben, wurde mit mehreren Theaterdirektoren vereinbart. Das Finanzministerium prüft nun, ob den Boykotteuren Subventionen gestrichen werden sollen. Und Netanyahu meinte: "Das Letzte, was wir zur Zeit brauchen können, sind solche Angriffe von innen."
In solcher Atmosphäre glauben nur überzeugte Optimisten an den Erfolg der neuen direkten Nahost-Verhandlungen. Außenminister Lieberman gehört nicht dazu, er erwartet sich von den Gesprächen in Washington nur "eine weitere Zeremonie" wie schon so oft in der Vergangenheit - und er ist auch nicht in Netanyahus Verhandlungsteam.
Der Premier selbst betont natürlich, dass man "ernsthaft und verantwortungsvoll" zu einem Abkommen gelangen wolle. Die Skepsis überwiegt aber allenthalben.
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