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Schleichender Wandel

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft

China wächst und wächst weiter, hat aber bald keine Arbeiter mehr, um die Expansion zu stützen.


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Seit den 1990ern hat sich Chinas Wirtschaftsleistung um das Zwanzigfache erhöht. Manche Experten glauben, dass China bis 2030 auch die USA überholt haben könnte - zumindest wenn man alle Währungsschwankungen ausklammert, indem man Chinas Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar umrechnet.

Für Jim O’Neill, Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs Asset Management, einer der größten Investmentbanken der Welt, ist dieses Wachstum "eine bemerkenswerte Ironie und vielleicht einer der größten Widersprüche weltweit", wenn man bedenke, dass China nur von einer einzigen Partei regiert werde. Aber es ist genau diese Ein-Parteienherrschaft, die viele demokratische Prozesse überflüssig macht, die in anderen Ländern Mitsprache und die Einhaltung von Rechten garantieren, aber natürlich auch Entwicklungen verlangsamen.

So hat etwa Chinas Ein-Kind-Politik dafür gesorgt, dass viele reiche Familien ihrem einzigen Sprössling ein Luxusleben gönnen wollen - ein Treiber für privaten Konsum. Viele wohlhabende junge Paare geben einen großen Teil ihres Einkommens für Essen, Kleidung und Reisen aus, bevor sie das eine erlaubte Kind bekommen.

Das Problem dabei: Von den 1,4 Milliarden Menschen, die für das Jahr 2050 für China prognostiziert werden, wird ein Drittel über 65 Jahre alt sein. Das Pensionsalter liegt bei 60 für Beamte und Arbeiter, wobei Frauen mit 55 bzw. 50 in Ruhestand gehen können. Im Moment liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in China bei 73 Jahren. Zum Vergleich: In Deutschland liegt sie bei der Geburt bei 77 Jahren und steigt ab dem Erreichen des Pensionsalters auf über 80 Jahre an. Brutal gesagt ist das Pensionsproblem in China aus derzeitiger Sicht nicht so schlimm wie in Deutschland, wo ein ähnlich großer Altenanteil für 2050 vorausgesagt wird.

Allerdings ändert sich die Situation langsam, aber sicher und meistens durch internen Druck: Allein in diesem Jahr werden die Löhne in manchen Sektoren um 15 Prozent steigen, sagt Christina Chung, die bei RCM Asia Pacific, einer Allianz-Tochter, für chinesische Aktien zuständig ist. Dieser Anstieg ist auch Teil der neuen Wirtschaftspolitik, mit der der Anteil des Konsums am BIP gesteigert werden soll. Durch die höheren Löhne müssen chinesische Arbeiter weniger Überstunden machen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und sie müssen auch nicht mehr jeden Job annehmen. Für Unternehmen wird es schwieriger, billige Arbeitskräfte zu finden. Chung ist überzeugt, dass dieser Trend zu einer größeren Automatisierung in den Betrieben führen wird. Zusammen mit einem Arbeitskräftemangel werde diese Entwicklung die Arbeitsbedingungen verbessern, hoffen Experten.

Nach einigen Umwelt- und Nahrungsmittelskandalen wachse auch der Druck auf die Regierung nach mehr Kontrollen und einer nachhaltigeren Wirtschaftspolitik, so Chung. Solche Dinge würden aber nur wenig nach außen publiziert, denn sie kämen einem Schuldeingeständnis gleich. Ähnliches gilt für die Ein Kind-Politik, die laut Chung und O’Neill in vielen reicheren Regionen bereits de facto abgeschafft ist.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.