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Das wochenlange Gezerre um Koalitionsabkommen, Reformen/Reförmchen und parteipolitische Befindlichkeiten ließ eines in den Hintergrund treten: Wesentlich ist, dass Leute in der Regierung sitzen, die sich in Europa sicher und kompetent bewegen können. Auch wenn die EU - aus falsch verstandener Angst vor den Wählern - weder im Wahlkampf noch in den Verhandlungen eine offizielle Rolle spielte, so agiert sie doch als der große Schleifstein im Hintergrund.
In den wesentlichen budget- und wirtschaftspolitischen Fragen gibt es wenig nationalen Spielraum, Österreich muss die europäischen Regeln einhalten. Und das ist auch ganz richtig so, denn nur eine starke Verflechtung der Mitgliedsländer ermöglicht jene Stärke, die gerade mittelgroße Länder wie Österreich benötigen.
Wenn um ein ausgeglichenes Budget gerungen wird, ist dies den EU-Regeln zu verdanken. Wenn in den kommenden Jahren in Europa viel Geld in die Hand genommen wird, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, so wird das erfolgreiche Österreich einen Teil seines Leistungsbilanzüberschusses dafür einsetzen müssen. Auch das ist ganz richtig so, denn wohin könnten heimische Betriebe ihre Produkte verkaufen, wenn große Abnehmerländer in der EU kränkeln?
Der von der EU ausgehende Reformdruck ist also ungleich größer als der innerösterreichische. Das bewiesen zuletzt die Landeshauptleute, die laut "Budgetloch" schrien, sich selbst aber das Stück vom Steuerkuchen gut munden lassen. Österreich auf sich alleine gestellt würde vermutlich den Arbeitsmarkt gegenüber Osteuropa weiterhin abschotten, nur verbindliche EU-Regeln sorgten für die Öffnung. Genau jene Öffnung, die das Land in den kommenden Jahren benötigen wird, wenn die "Baby-Boomer-Generation" endgültig in Pension geht. Und genau jene Öffnung, ohne die das heimische Pflegesystem gar nicht mehr aufrechtzuerhalten wäre.
Genau diese europäische Komponente wird der Koalitionsvertrag aber nicht liefern. Dabei wäre es wohltuend, wenn beide Parteien klar zu Europa Stellung beziehen würden. Eine SPÖ muss sich dafür einsetzen, soziale Standards in der EU verbindlich zu verankern - wie die Budgetziele. Und eine ÖVP sollte ihre Angst vor Wählerschwund beenden und wieder zu jener Europapartei werden, die sie einmal war. Sich den EU-Misanthropen anzuschließen, dürfte nämlich Teil dieses Schwunds sein.