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Schleißige Gerichtsentscheidung

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Pflegschaftsgericht genehmigte Kauf von Immofinanz-Aktien als mündelsicher. | Staatshaftung für Fehlentscheidung. | Wien. Es war eine Entscheidung, die der Pflegschaftsrichterin zum Verhängnis werden sollte: Die Richterin hatte die Veranlagung des Vermögens eines Minderjährigen in Immofinanz-Aktien genehmigt.


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Nach den Kursstürzen der Immofinanz-Aktien hatte der Minderjährige geklagt - und zwar die Republik Österreich, die für die Entscheidung der Richterin im Zuge der Amtshaftung einstehen muss. Schließlich hätte die Richterin die Anlage des Mündelgelds gewissenhaft prüfen müssen.

Das Landesgericht für Zivilrechtsachen in Wien (LG ZRS) kam nun in einem aktuellen Urteil zu dem Schluss, dass diese gewissenhafte Prüfung nicht stattgefunden hatte. Wie aus der Entscheidung, die der "Wiener Zeitung" vorliegt, hervorgeht, wurde der Richterin ein Gutachten zum Verhängnis.

Der Vater des Minderjährigen, der das Geld für seinen Sohn veranlagen wollte, hatte mit dem Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Immofinanz-Anlagen auch ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorgelegt. Dieses sollte Aufschluss über die Eignung der Immofinanz-Aktien für eine mündelsichere Veranlagung geben. Allerdings war das Gutachten - daraus machte auch der Sachverständige keinen Hehl - im Auftrag der Constantia Privat Bank erstellt worden, die für das Management der Immofinanz verantwortlich ist.

Nachlässige Richterin

Demnach fiel das Gutachten für die Immofinanz-Aktien grundsätzlich positiv aus, wie Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) berichtet, der mit dem Fall betraut ist.

Laut Urteil des LG ZRS Wien waren die Aktien der Immofinanz nach Meinung des Sachverständigen zu dem entsprechenden Zeitpunkt zur Veranlagung von Mündelgeld grundsätzlich geeignet, "sofern die Veranlagung im Rahmen eines sinnvollen Portfoliomixes erfolgt". Aus dem Gutachten ging jedoch keine konkrete Eignung der Aktien für die Veranlagung des Geldes des Minderjährigen hervor.

Dennoch genehmigte das Pflegschaftsgericht die Veranlagung von mehr als der Hälfte des Gesamtvermögens des Minderjährigen in Immofinanz-Aktien.

Dass es sich dabei "um keinen sinnvollen Portfoliomix handeln kann, liegt auf der Hand", urteilte das LG ZRS Wien. "Das Pflegschaftsgericht hat sich mit dieser Frage offensichtlich in keiner Weise auseinandergesetzt."

Laut Urteil war die Genehmigung des Erwerbs der Immofinanz-Aktien durch das Pflegschaftsgericht daher rechtswidrig und schuldhaft. Für diesen Fehler wird nun der Staat einstehen müssen, da er für die Richterin als sein Organ haftet. Zu 5280 Euro Schadenersatz wurde die Republik Österreich verdonnert.

Denkbar wäre, dass sich der Staat das Geld im Regressweg von der Richterin zurückholt. Die Finanzprokuratur, die die Republik Österreich vor Gericht vertritt, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Vertrauensvorschuss

Was wäre passiert, wenn das Gutachten die Immofinanz-Aktien in dem konkreten Fall ganz klar als mündelsicher beurteilt hätte? Wäre die Richterin und der Staat dann aus dem Schneider gewesen? "Gutachten von gerichtlich beeideten Sachverständigen haben eine Indizwirkung. Sie genießen einen Vertrauensvorschuss", erklärt ein Sachverständigen-Experte gegenüber der "Wiener Zeitung". Dennoch hätten Privatgutachten vor Gericht keinen besonderen Stellenwert. Der Richter müsste das Gutachten sehr wohl überprüfen und ein weiteres Gutachten einholen, wenn sein Vertrauen in das Gutachten erschüttert ist.

Schwierig ist es mit der Haftung für falsche Privatgutachten. Der Privatgutachter haftet jedenfalls gegenüber seinem Auftraggeber für ein falsches Gutachten. Gegenüber Dritten ist die Haftung aber unklar.