Der Außenminister des Kosovo war Gast am Europa-Forum in Göttweig.
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"Wiener Zeitung":Hat der serbische Premier, Ivica Dacic, auch Ihnen die Hand geschüttelt, als er im Stift Göttweig angekommen ist?
Enver Hoxhaj: Ja. Wir haben auch kurz miteinander gesprochen, wie auch letztes Mal in New York. Insgesamt war das heuer das siebte oder achte Mal.
Wie oft treffen Sie Ihren serbischen Counterpart Ivan Mrkic?
Bisher gab es noch nie ein bilaterales Treffen auf Außenminister-Ebene. Wir haben aber natürlich beide an verschiedenen Foren in der Welt teilgenommen. Ab und zu haben wir im Rahmen solcher Konferenzen auch gesprochen.
Wie ist dann die Atmosphäre?
Verglichen etwa mit der Zeit vor noch zwei Jahren konnten wir mittlerweile eine Art Vertrauen zwischen Pristina und Belgrad aufbauen. Dazu waren große Investitionen nötig, beide Seiten mussten große, schmerzhafte Kompromisse eingehen. Aber wir haben ein Abkommen erreicht und einen Modus Vivendi entwickelt, der den Kosovo und Serbien als getrennte Nachbarstaaten sieht.
Eine Annäherung zwischen Serbien und Kosovo geht aktuell mit großen Schritten voran. Erwarten Sie schon einen ersten offiziellen Besuch aus Belgrad?
Ein erster hoher offizieller Besuch wird natürlich nicht bald stattfinden. Aber es gibt in der Tat ziemlich positive Entwicklungen. Wir haben uns in den letzten zwei Jahren elf Mal getroffen, mehr als 200 Stunden verhandelt. Diese Woche nehmen erstmals Verbindungsbüros mit Vertretern im jeweils anderen Land ihren Dienst auf. Das ist eine ganz große Sache.
Wenn Serbien Ende des Monats von der EU keinen Termin für Beitrittsverhandlungen erhält, wie wirkt sich das auf den Versöhnungsprozess mit dem Kosovo aus?
Ich bin nicht imstande, im Voraus Entscheidungen der EU zu beurteilen. Generell ist es aber meiner Meinung nach sowohl im Interesse des Balkans als auch der EU, weiterhin den Erweiterungsprozess zu unterstützen. Der Kosovo ist sehr dafür, dass alle Länder auf dem Balkan Teil Europas werden. Auf dem Balkan gibt es kein anderes Land, das besser weiß als der Kosovo, was ein anti-europäisches Serbien bedeutet. Deswegen sind wir sehr dafür, dass wir in Belgrad europäische Politik und Kräfte haben.
Wie viel hat Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, für das Abkommen im April zwischen Serbien und dem Kosovo geleistet?
Unglaublich viel. Wir sind wirklich dankbar für ihre kompetente Arbeit und die Unterstützung aller EU-Länder. Zudem waren die USA ein sehr wichtiger Akteur. Sie sind weiterhin äußerst wichtig, was Stabilität, Sicherheit und Frieden auf dem Balkan betrifft. Das erreichte Abkommen ist ein gemeinsames Projekt der EU und der USA.
Waren die USA auch direkt involviert bei den Verhandlungen?
Bei den allerersten Gesprächen über technische Fragen waren sie immer mit am Verhandlungstisch. Im politischen Dialog waren sie nicht direkt involviert, aber stets vor einem Treffen zwischen den beiden Premiers haben wir uns zunächst mit den Amerikanern getroffen und mit ihnen über unsere Ideen, Vorschläge und Ziele gesprochen - genauso wie die serbische Delegation.
Beobachtet man die Premiers der Länder im Umgang miteinander, sieht das eigentlich schon ganz entspannt aus, es wird durchaus auch gelacht. Könnte man sich bereits ohne Vermittler treffen?
Ich glaube, das wäre nicht ausgeschlossen. Wir sind auch nicht dagegen. Aber der Normalisierungsprozess zwischen Serbien und Kosovo als zwei Staaten geschieht im Rahmen der europäischen Außenpolitik am Balkan, das bedeutet die EU und ihre Politik am Balkan ist der Rahmen, der ihn ermöglicht. Wir sind uns dessen bewusst, dass ohne Unterstützung der EU nichts geschehen könnte. Die Erreichung des Abkommens war unglaublich wichtig. Aber seine Umsetzung ist ebenso wichtig, sonst ist es ein wertloses Papier. Deswegen sollte die EU weiterhin mehr tun.
Spielt die mehrheitlich serbische Bevölkerung im Nordkosovo bei der Umsetzung mit?
Ich glaube ja. Es gab nie wirklich einen Konflikt zwischen der Regierung in Pristina und der Bevölkerung im Norden. Die Situation dort war so, weil Serbien von 1999 bis zum heutigen Tag versucht hat, durch Gerichts- und Sicherheitswesen eine Art Kontrolle über das Territorium auszuüben. Mit dem Abkommen hat Serbien praktisch die Souveränität des Kosovo, seine territoriale Integrität und unsere Verfassung akzeptiert - ich spreche nicht von Anerkennung, wohlgemerkt, sondern von einem Akzeptieren.
Haben Sie eigentlich die Handynummer von Ihrem serbischem Kollegen? Könnten Sie bei Schwierigkeiten direkten Kontakt herstellen?
Nein, ich habe seine Handynummer nicht. Alles, was bisher geschah, geschah in Brüssel im Rahmen des politischen Dialogs. Wenn es internationale Treffen gibt, sind wir imstande, einander die Hände zu schütteln, über ein bestimmtes Thema zu sprechen. Aber in der Regel haben wir keinen direkten Kontakt.
Enver Hoxhaj, geboren 1969, ist seit 2011 der Außenminister der Republik Kosovo.