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"Schlimmstenfalls werden Gemeinden geschliffen"

Von Christoph Rella

Politik

Statistik Austria: Abwanderung am Land steigt, Städte mit Umland legen zu. | Wien. Hannes Fazekas, Gemeindeoberhaupt in Schwechat, darf sich freuen. Denn wie aus einer aktuellen Studie der Statistik Austria, die am Freitag in Wien präsentiert wurde, hervorgeht, soll die Bevölkerung der niederösterreichischen Stadt wie auch die der meisten anderen Wiener Umlandgemeinden bis 2050 um mehr als ein Fünftel wachsen. Dagegen werden strukturschwache und schwer erreichbare Kommunen wie Murau und Mürzzuschlag in der Steiermark oder Zwettl und Waidhofen im Waldviertel langfristig tausende Bürger verlieren. Mit der Konsequenz, dass auch ganze Ortsteile, die nicht bewohnt sind, "geschliffen werden" könnten.


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Als Negativbeispiel nannte Harald Griesser, Entwickler in der steirischen Landesregierung, die Stadt Eisenerz. Sie hatte nach dem Niedergang der lokalen Industrie zwei Drittel (minus 10.000 Personen) seiner Bevölkerung verloren. Es kam zu einem "Rückbau" bei Infrastruktur und Schulen.

Dass Österreich aufgrund der geringen Geburtsrate - durchschnittlich 1,4 Kinder pro Frau - überhaupt noch, wie prognostiziert, bis 2050 auf 9,5 Millionen Menschen wachsen kann, führt Statistik-Direktor Konrad Pesendorfer wiederum auf die Zuwanderung zurück: "Ohne Migranten hätte Österreich nur mehr 7,4 Millionen Einwohner", sagte er. Sein Vorschlag: Gemeinden, die unter Abwanderung zu leiden haben, sollen auf Ausländer setzen. Die Auswahl ist vielfältig: "41 Prozent stammen aus EU-Staaten", zitierte Pesendorfer aus der aktuellen Migrantenstatistik. "15 Prozent kommen aus Ex-Jugoslawien, 6 aus der Türkei."

In dieselbe Kerbe schlägt auch Wolf Huber vom Büro für Raumordnung im Bundeskanzleramt: "Wenn ich Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde wäre, würde ich Zuwanderern den roten Teppich ausrollen", sagte er am Freitag. "Das ist eine Chance, der man sich in manchen Gebieten stellen sollte. Man muss der Realität ins Auge sehen." Positiv sei immerhin, dass die Abwanderung in den Gemeinden "eher schleichend" erfolge und sich die Behörden besser auf die Folgen vorbereiten könnten, meinte Huber und verwies auf die mitunter dramatische Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland und vielen anderen europäischen Staaten in Osteuropa.

28 Prozent Pensionisten

Die zweite Herausforderung für die Kommunen stellt die steigende Lebenserwartung dar: Laut Studie dürfte in den nächsten 40 Jahren das Durchschnittsalter bei Frauen von 83 auf 89,5 Jahre und bei Männern sogar von 77,6 auf 86 Jahre ansteigen. Glaubt man den Prognosen, wird die Republik dann zu 28 Prozent aus Über-65-Jährigen (2,6 Millionen Menschen) bestehen. Ihren Lebensabend verbringen wird die Mehrzahl der Pensionisten nicht etwa in Ballungsräumen, sondern auf dem Land, wie Huber betonte. Aus diesem Grund sei es wichtig, "das Angebot für ältere Personen gerade in den ländlichen Gemeinden und Städten auszubauen."

Was die Entwicklung der Geburtenrate betrifft, wird sich laut den Statistikern in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern: Demnach wird eine Frau im Jahr 2050 durchschnittlich 1,5 Kinder bekommen. Damit wird sich auch die Zahl der Jugendlichen unter 19 Jahren von derzeit 1,76 Millionen um drei Prozent auf 1,72 Millionen verringern.

Diese werden dafür, prognostizieren die Experten, zu großen Teilen in den Städten zu Hause sein. So sollen allein im Jahr 2050 rund um Wien 22 Prozent mehr Menschen leben als heute. Wien selbst wird bis dahin an der 2-Millionen-Grenze kratzen. Ebenfalls um ein Fünftel wachsen wird folglich auch Niederösterreich, bei den übrigen Bundesländern soll die Bevölkerungszunahme rund 13 Prozent betragen. Einzig Kärnten wird ein Minus von 1,4 Prozent vorhergesagt.