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Schlögl denkt derzeit nicht an Rücktritt

Von Alexandra Grass

Politik

Innenminister Karl Schlögl, der nach dem Tod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus O. seitens der Grünen, Liberalen und kirchlichen Hilfsorganisationen mit Rücktrittsaufforderungen überhäuft | wird, sieht jetzt seine politische Verantwortung darin, alles daranzusetzen, "daß so etwas nicht mehr geschehen kann". An einen Rücktritt denkt der Ressortchef, wie er Dienstag nach dem Ministerrat | betonte, derzeit nicht.


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Nach der Regierungssitzung versicherte Schlögl, daß er beim "tragischen Tod" des Schubhäftlings "keine persönliche Verantwortung" zu übernehmen habe, er werde aber "entsprechende Maßnahmen

setzen", um den Fall so rasch wie möglich aufzuklären.

Sollten "Spitzenbeamte im Haus" von den Praktiken bei Abschiebungen gewußt haben, will Schlögl Konsequenzen gegen die Betroffenen "veranlassen und ziehen". "Ich schwöre, daß ich es nicht gewußt habe.

Wenn Sie mir nicht glauben, tut es mir leid", so der Innenminister auf die Frage, ober er davon gewußt habe, daß Schubhäftlingen mitunter der Mund verklebt wird. Diese Vorgangsweise "ist nicht

tragbar".

Schlögl betonte, er habe mit der Information der Öffentlichkeit, dem Einschalten der Staatsanwaltschaft und dem vorläufigen Stopp von Abschiebungen, wo Widerstand zu erwarten sei, rasch reagiert.

Außerdem würden die Abschiebungen per Flugzeug jetzt grundsätzlich neu überdacht.

Schlögl denkt derzeit nicht an Rücktritt

"Wenn alles offen auf dem Tisch liegt, wird es personelle Konsequenzen geben", so Schlögl.

Rückenstärkung

Rückenstärkung erhielt der Ressortchef erneut von Kanzler Viktor Klima. Schlögl habe weiterhin sein Vertrauen, denn dieser habe "unverzüglich die richtigen Maßnahmen gesetzt", damit so etwas nicht

wieder passieren könne. Über den Tod des Schubhäftlings zeigte sich Klima "persönlich entsetzt".

Ähnlich argumentierten Verkehrsminister Caspar Einem, die SPÖ-Landeschefs Wiens und des Burgenlandes, Bürgermeister Michael Häupl und LH Karl Stix, sowie zahlreiche weitere SPÖ-Politiker, unter

anderem Klubobmann Peter Kostelka.

Auch eine "bombastische Symbolik", wie etwa ein Rücktritt, würde "diesen Mann nicht mehr lebendig machen", erklärte Einem. Außerdem könne man bei einem Unternehmen mit 33.000 Mitarbeitern, wie dem

Innenministerium, "nicht jedem Einzelnen über die Schultern schauen".

Kostelka verwies darauf, daß Schlögl die Ergebnisse seiner Untersuchung dem Nationalrat vorlegen werde. Notwendig sei nach diesem "schrecklichen Ereignis" eine Änderung der Abschiebepraxis,

meinte Häupl. Denn "offenkundige Menschenrechtsverletzungen sind durch nichts zu entschuldigen".

Die Causa sei tragisch und gehöre aufgeklärt, betonte Stix. Daraus aber einen "Fall Schlögl" machen zu wollen, sei scheinheilig und nur mit dem laufenden Vorwahlkampf zu erklären.

Sondersitzung und

Mißtrauensantrag

Die beiden kleinen Oppositionsparteien wollen die Causa auf parlamentarischer Ebene behandeln. Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen überlegt die Einberufung einer Sondersitzung des

Nationalrates. LIF-Chefin Heide Schmidt kündigte einen Mißtrauensantrag gegen Schlögl an. ÖVP-Menschenrechtssprecher Werner Amon würde einen solchen unterstützen.

Grundsätzlich zeigt sich die ÖVP aber zurückhaltend. Nach dem Ministerrat gab es keine Stellungnahme von einem ÖVP-Regierungsmitglied. Florian Krenkel, Pressesprecher von Vizekanzler Wolfgang

Schüssel, meinte, man wolle den Gutachten nicht vorgreifen.

Weitere Rücktrittsaufforderungen kamen von Wiens Caritas-Direktor Michael Landau, der evangelischen Diakonie, der KPÖ sowie vom Verband Sozialistischer StudentInnen und der Sozialistischen Jugend.

FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler meinte hingegen, seine Partei werde nicht in das "wahlkampfbedingte Rücktrittsgeheule" einstimmen. "Wir stehen voll zum Innenminister", heißt es laut

Polizeigewerkschaft. Auch die Freie Gewerkschaft Österreichs bekundete ihre Solidarität.