Fotocollage, Spinnen und ein nackter Chinese. | Schloss Laudon dient zurzeit als Atelier für fünf internationale Künstler.
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Wien. Ein barockes Wasserschloss, umgeben von einem prachtvollen Park, Sälen und Teichen - der perfekte Ort für eine Traumhochzeit. Nur liegt dort ein nackter Chinese regungslos mit einem Stein auf seinem Rücken. . . "Gottseidank war an diesem Tag keine Hochzeit", lacht Xin Jun Zhang. Er ist Künstler aus China und lebt derzeit im zehn Hektar großen Park von Schloss Laudon. Das für Hochzeiten so beliebte Anwesen am Rande Wiens beherbergt seit 2009 für jeweils drei Monate junge ausländische Künstler. Sie sind Gäste des Artist-in-Residence-Programms des Kulturministeriums, das ihnen ein Gemeinschaftsatelier zur Verfügung stellt.
Hier können sie die österreichische Kultur kennenlernen, Kontakte knüpfen, neue Ideen sammeln und gemeinsame Projekte in Angriff nehmen. Außer Xin Jun Zhang sind diesen Herbst Nasir Nasrallah und Bader Al Awadhi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Farhad Farzaliyev aus Aserbaidschan und Marte Kiessling aus Deutschland auf dem Gelände von Schloss Laudon untergebracht.
In den Emiraten gibt es den Beruf "Freischaffender Künstler" gar nicht. Nasir Nasrallah hat Telekommunikationstechnik studiert, und nebenher verschiedene Malereikurse besucht. Vor sechs Monaten hat er gekündigt, um sich nur noch der Kunst zu widmen. "Mein Vater und meine Frau waren schockiert", erzählt er. Nasrallah hat auf Schloss Laudon die Freiheit, sich nur der Kunst zu widmen, endlich einmal "Full-Time-Artist" zu sein.
Zurzeit sammelt er in Wien Gegenstände - etwa von der Straße oder übrig gebliebene Schnipsel seiner Künstlerkollegen. Diese setzt er in einem Buch zu Kollagen zusammen, erschafft Szenen oder Charaktere. Eine Art Wien-Tagebuch, in dem er seine Eindrücke und Gedanken festhält. Nach seiner Rückkehr in die Emirate will Nasrallah Kunstbücher für Kinder machen. "Mein Stil eignet sich dafür sehr gut", glaubt der zweifache Vater. Einen Job werde er sich vermutlich wieder suchen müssen. Aber er soll diesmal etwas mit Kunst zu tun zu haben.
Sein Landskollege Bader Al Awadhi hat schon jetzt einen künstlerischen Beruf. Er ist Fotograf (alawadhibader.com), verdient sein Geld aber hauptsächlich als Projektmanager. Das stört ihn nicht, er empfindet es sogar als wichtig, beides kennenzulernen - Arbeitswelt und Kunstwelt.
In den Emiraten fotografierte Al Awadhi vor allem Menschen. In den Appartements von Schloss Laudon hat er ein neues Motiv gefunden: Spinnen. "Die sind sooo groß hier", erzählt er und formt mit beiden Händen einen tellergroßen Kreis. "Ich stelle mich meiner Angst, jede Nacht träume ich von Spinnen", lacht der Fotograf. Sigmund Freud hätte seine Freude und in den Emiraten wird man wohl bald eine völlig andere Perspektive auf Wien bekommen.
Xin Jun Zhang ist "Vollzeitkünstler", er hat Ölmalerei in Peking studiert. Ihm ist vor allem ein Unterschied aufgefallen: Chinesische Kunst sei narrativer als die europäische. Der Inhalt sei das Wichtigste, während in Europa der Ausdruck und vor allem der Weg dorthin das Wesentliche sei. Deshalb ist Xin Jun Zhang nicht beim klassischen Ölgemälde geblieben sondern experimentiert mit verschiedenen Materialien und Medien. Auf der Suche nach "seiner Linie" hat er seinen Körper entdeckt. Den verwendet er um mittels Zeichnung oder Fadeninstallation Bewegungen zu dokumentieren, oder er legt sich zwölf Stunden nackt in den Schlosspark, um Teil der Natur zu werden, die er in Österreich besonders liebt.
Die Ruhe Wiens genießen
Zhang genießt die Ruhe, anders als in China, "wo es überall laut und voller Menschen ist." Mit menschlichen Modellen beschäftigt sich Farhad Farzaliyev. Er ist technischer Allrounder, arbeitet mit Montageschaum, malt, fotografiert, entwirft Grafik Design und Architektur und ist Teil von "Bass-Tandem", einem internationalen Zusammenschluss junger Musiker, die sich noch nie gesehen haben und gemeinsam elektronischen Sound produzieren.
Farzaliyev hat an der Akademie für Bildende Künste in Aserbaidschan Architektur studiert, auf der Biennale in Venedig hat er dieses Jahr den Katalog des aserbaidschanischen Pavillons entworfen. Er ist kein unbeschriebenes Blatt mehr, seine Werke hängen im Nationalmuseum Aserbaidschan, auch in Dresden und Brüssel hat er ausgestellt. In Wien war er schon oft, "eine meiner absoluten Lieblingsstädte".
Auch Marte Kiessling hat sich bewusst für Wien beworben. Die Deutsche ist die im internationalen Kunstbusiness Erfahrenste. Sie hat in Hamburg Freie Kunst und Medien studiert, ist Mitglied der Künstlergruppen "CameraCartell" und "Global Alien" und macht Animationsfilme. Hier hat sie einen neuen Film angefangen, in dem der Schlosspark eine wichtige Rolle spielen wird. "Ich orientiere mich immer an den Orten, an denen ich gerade bin", erzählt Kiessling, die zwar ihre Wohnadresse in Berlin hat, dieses Jahr aber schon in Japan, Mazedonien, Italien, den USA und der Schweiz war. "Wenn ich immer am gleichen Ort sitzen würde, würden mir keine Ideen kommen."
Nicht alle Herkunftsländer der jungen Künstler sind für freie Meinungsäußerung und freien Kunstbetrieb bekannt. Ob es Dinge gäbe, die sie sich zu Hause nicht umzusetzen trauen würden? "Mit einer Genehmigung geht alles", meint Bader Al Awadhi. Man müsse eben den richtigen Ort und Zeitpunkt wählen. Xin Jun Zhang nickt und fügt hinzu: "Wenn ich meine Performance in China gemacht hätte, hätten mich vermutlich einfach mehr Leute gesehen." Sehen kann man die Werke der Artists in Residence im Ausstellungsraum des Kulturministeriums (Concordiaplatz 2). Die beiden Künstlerinnen Aysel Alver und Seniha Ünay aus der Türkei sind aus beruflichen Gründen schon abgereist. Auch ihre Arbeiten werden ausgestellt.