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"Schluss mit dem Kadavergehorsam"

Von Walter Hämmerle

Politik

Schützenhöfer: ÖVP muss neue Realitäten akzeptieren. | Ja zu differenzierter Gesamtschule und Notariatsakt für Homosexuelle. | Jet-Ausstieg: Ja zu Verhandlungen unter Bedingungen. | "Wiener Zeitung": Sie nehmen Ihre Partei hart ins Gebet: Bis zum 1. Oktober, so meinen Sie, hieß es "strammgestanden" - und nun öffne sich die ÖVP in manchen Bereichen so weit, dass man gar nicht mehr wisse, wo sie steht. Wem werfen Sie diesen Zustand vor? | Hermann Schützenhöfer: Das ist keine Kritik an einer Einzelperson, aber die Debatte verläuft nun einmal etwas unübersichtlich.


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In der heiß umkämpften Schuldebatte sind Sie einer der wenigen ÖVP-Politiker, die offensiv für eine Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen eintreten. Wo liegen dann die stets beschworenen Unterschiede zur SPÖ?

Die SPÖ will in der Schulpolitik alle in einen Topf werfen - das ist die Gesamtschule. Das Gegenmodell zu diesem SPÖ-Eintopf ist die differenzierte Gesamtschule, für die ich eintrete. Ich möchte aber nicht an Vokabeln hängenbleiben: Das Problem ist die Hauptschule im städtischen Raum, die fast schon zu einer Art Sonderschule geworden ist.

Ihre differenzierte Gesamtschule ist also in erster Linie ein Modell für den städtischen Raum?

Wir müssen Schulformen finden, die allen Kindern gerechte Chancen geben. Ich appelliere an meine Partei, dass sie aufgibt, irgendeine Debatte nicht zuzulassen. Das würde unweigerlich zur Realitätsverweigerung führen - und das darf auf keinen Fall sein.

Das Familienbild ist das zweite heiße Eisen in der ÖVP. Ihr Landsmann, Generalsekretär Missethon, hat sich für die Einführung eines Notariatsakts als Alternative zur Ehe ausgesprochen.

Missethon hat hier meine volle Unterstützung. Ich bin jetzt seit 28 Jahren mit der selben Frau verheiratet und - so hoffe ich jedenfalls - praktizierender Katholik. Weil ich das bin und weil ich weiß, dass es ein Glück und eine Gnade ist, in einer glücklichen Familie mit Kindern zu leben, ist das für mich in Summe die geeignetste Lebensform. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass heute 70 Prozent aller jungen Frauen - Tendenz stark steigend - arbeiten. Eine flächendeckende Kinderbetreuung ist deshalb notwendig. Zudem lebt die Mehrzahl der jungen Leute heute ohne Trauschein zusammen. Auch das ist ein Faktum. Für diese ist ein Notariatsakt eine Möglichkeit.

Gilt das auch für homosexuelle Lebensgemeinschaften?

Hier habe ich eine klare Meinung: Weg von jeder Diskriminierung hin zu einer Amtlichmachung und Nein zu Ehe und Adoption.

Die SPÖ attestiert der Volkspartei Orientierungslosigkeit. Wie lange soll sich die Partei noch Zeit nehmen, um sich klar über den eigenen künftigen Kurs zu werden?

Wichtig ist auf jeden Fall, dass dieser Kadavergehorsam weg muss. Dass es derzeit manche gibt, die sich über die künftige Richtung noch unsicher sind, das ist selbstverständlich und alle Mal besser als die Friedhofsruhe vor dem 1. Oktober. Mit dem Parteitag am 21. April darf die Debatte aber auf keinen Fall abgeschlossen sein, sie muss erst wirklich beginnen. Und zur SPÖ nur ein Satz: Unsere Diskussion ist mir lieber als die rote Orientierungslosigkeit im Umgang mit dem eigenen Bundeskanzler.

Vizekanzler Wilhelm Molterer soll zum Nachfolger von Wolfgang Schüssel gewählt werden. Ist er der richtige Mann, die ÖVP auf einen neuen Kurs zu bringen?

Selbstverständlich. Die steirische ÖVP steht hinter Molterer und wählt ihn auch. Mein Wunsch ist: Eine Partei, die diskutiert und mitunter auch streitet, sich aber nicht selbst zerfleischt.

Und was soll in Zukunft aus Josef Pröll werden, dem Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe?

Er ist eine unserer Zukunftshoffnungen . . .

...und soll er auch Obmann-Stellvertreter werde?

Das ist Angelegenheit von Molterer. Aber ob nun Vize oder nicht - am Ende ist das nicht so wichtig.

Zur Causa prima dieser Tage: Ist die derzeitige Position der ÖVP, zu sagen "wir verhandeln nicht über einen Vertragsausstieg", auf Dauer haltbar?

Verträge sind prinzipiell einzuhalten. Fest steht auch, dass wir eine Luftraumüberwachung brauchen. Jetzt sind aber die Juristen am Wort und der Verteidigungsminister hat die Aufgabe, alle offenen Fragen aufzuklären. Wenn am Schluss tatsächlich namhafte Juristen - und ich verwende hier bewusst die Mehrzahl - zur gemeinsamen Überzeugung kommen, dass ein Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag kostenlos möglich ist und gleichzeitig eine billigere Variante der Luftraumüberwachung machbar ist, dann wird sich die Volkspartei Verhandlungen in dieser Frage nicht verschließen.

Zur PersonHermann Schützenhöfer folgte nach der Niederlage bei der steirischen Landtagswahl 2005 Waltraud Klasnic nach. Geboren 1952 in Edlitz/NÖ begann er seine Laufbahn 1971 bei den Jungen ÖVP, im Landtag seit 1981 stieg er 2000 in die Regierung auf.